Regisseur Andreas Dresen präsentierte seinen neuen Film „Als wir träumten“ vor kurzem auf der Berlinale. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Clemens Meyer wurde auf dem Festival kontrovers diskutiert. Jetzt kommt jetzt er in die Kinos.
Der Film beginnt in der finsteren Ruine eines abgebrannten Kinos: „Mark!“, ruft jemand in die Dunkelheit, „Mark?“. Dani (Merlin Rose), der Besucher aus der Vergangenheit, und der drogensüchtige Mark (Joel Basmann) reden über alte Zeiten im Leipziger Osten: Bei den Wehrübungen der Jungen Pioniere hofften sie, an die Brüste der größeren Mädchen dotzen zu können. In der Wendezeit erfreuten sie sich noch an Mikrowellen und Softpornos aus dem Westen. Streiflichtartig skizziert der Film mit diesen Rückblenden jene frühen Jahre, nach denen die Jugendlichen dann ihre wilden Träume leben wollen:
„Wir sind die Größten!“, brüllen sie angesoffen aus geklauten West-Autos. Sie gründen einen illegalen Techno Club in einer alten Fabrik, das „Eastside“, mit dem sie richtig Geld verdienen. Die Mädchen, die sie gerne hätten, kriegen sie dennoch nicht, nackt sieht Andi sein geliebtes „Sternchen“ (Ruby O.Fee) nur in der Striptease-Bar…
Stattdessen bekommen sie Ärger mit Schutzgeld erpressenden Gangstern und Prügel von Neonazis. Die Träume und Hoffnungen der Clique um den Ich-Erzähler Dani zerrinnen in den Leipziger Straßen. „Als wir träumten“ folgt, verdichtet und stark gekürzt, dem Roman des Leipziger Autors, bewahrt aber meisterhaft den Geist seines Buches, dessen grimmige Zärtlichkeit und rüde Härte. Die Jungs beschimpfen sich, gehen ruppig miteinander um – und doch trösten sie einander, sorgen für sich und andere. Ein wenig bestehlen sie eine hilfsbedürftige Oma, fahren „die Alte“ aber im geklauten Auto zum Grab ihres Mannes. „Es sind Jungs, die aus dem Nest gefallen sind“, meinte Dresen in der Pressekonferenz auf der Berlinale, „ihnen gegenüber bin ich ein kleinbürgerlicher Spießer.“
Der Filmemacher ist fasziniert von deren anarchischen Geschichte und scheut sich nicht, die Gewalt zu zeigen, in denen die Kids desillusioniert werden aber verzweifelt hoffen: „Das Beste kommt noch!“. Diese Szenen sind nicht brutaler als im „Tatort“. Seinen Kritikern entgegnete der Filmemacher: „Ich bin den bösen Momenten des Romans durchaus gefolgt.“ Er will jetzt härtere Filme machen, weil das eher der Welt entspricht in der wir leben.
Also gar nicht gefällig und dennoch einfühlsam zeigt der großartige Film eine zwar schon oft erzählte Coming-of-Age-Geschichte. Jedoch war die Wendezeit eine besondere historische Situation in einer aus den Fugen geratenen Welt, in der den Leipziger Vorstadt-Kids alles erreichbar schien: „Mit den riesigen Möglichkeiten dieser Tage, der ungeheuren Kraft von Anarchie, haben wir uns bisher viel zu wenig beschäftigt!“, meinte Dresen.
„Als wir träumten“ ist sicher der räudigste Film des Regisseurs, doch er fügt sich konsequent in die Reihe seiner immer schon sehr verschiedenen Arbeiten – von den frühen Berliner „Nachtgestalten“ über das alte Liebespaar in „Wolke 9“ bis hin zum krebskranken Familienvater in „Halt auf freier Strecke“. Einer Kritikerin, „ich vermisse die Handschrift Dresens“, entgegnete er in der Pressekonferenz: „Ich habe mein Herzblut in den Film gesteckt. Wenn Sie das nicht spüren, tut es mir leid…“
„Als wir träumten“ D 2014, 117 Minuten, FSK 12 Jahre Regie Andreas Dresen mit Merlin Rose, Joel Basmann, Ruby O.Fee und vielen weiteren, unbekannten jungen Schauspielern. Kinostart 26. Februar
Foto vom Handy: Andreas Dresen (Mitte) mit zwei seiner jungen Schauspieler auf der Berlinale-Pressekonferenz
Zum Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=FIkp_vq-gOg