Als Theaterklamotte in der Berliner Schaubühne:

Frank Witzels „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969“

Die Bühne ist mit zahllosen, im Stil der 1960er-Jahre gekleideten Schaufensterpuppen und einem Schlagzeug vollgestopft. Drummer, Bassist und Gitarrist legen nach einiger Zeit mit infernalischer Rockmusik los. Bald gesellen sich drei Schauspieler und zwei Schauspielerinnen zu ihnen. Sie beginnen als große Kinder mit einer ausschweifenden Erzählung, wie ihr gelber NSU „von den Bullen verfolgt“ wurde und sie nur mit großer Mühe entkommen konnten. So fängt auch Witzels Roman an.

Die genialen Schauspieler deklamieren seinen extrem eingedampften Text, spielen Szenen kurz an, wechseln blitzschnell die Rollen, sprechen mit Puppen, frieren selber ein. Parallel laufen auf einem Großbildschirm Nahaufnahmen ihrer Gesichter im Wechsel mit Doku-Clips aus den wilden Zeiten: Vietnam-Demonstrationen. Die Kommune 1 nackt an der Wand. Zwei Black Panther bei der Olympiade. Immer wieder dröhnt das Rock-Trio los, das sich passend „Die Nerven“ nennt. „…inmitten der Leere / hinter Raststätten versteckt / deine Stimme die wie Teer die Straßen bedeckt / ich gehe barfuß durch die Scherben ohne mich zu verletzen…“, schreit der Sänger ins Publikum. Die Mimen tanzen, springen sich an, versuchen akrobatische Figuren, zelebrieren Slapsticks. Ein Schauspieler rappt das Trinklied Willy Schneiders: „Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein“!“

Regisseur Armin Petras inszeniert eine schrille, bilderreiche Theatercollage, ebenso wenig stringent wie Witzels Buch. Mit seinem Team versucht er, das Lebensgefühl der damaligen Zeit über die Rampe zu bringen: Weiterlesen

Richard III – die Faszination der düsteren Königsdramen Shakespeares an der Berliner Schaubühne

Seit 2008 ist „Hamlet“ mit Lars Eidinger in der Schaubühne ständig ausverkauft. Auch die Karten für „Richard III“ mit Eidinger sind in diesem Jahr immer sofort vergriffen.

Zu lauter Rock-Musik stürmt eine aufgedrehte Gesellschaft die Bühne, lüsternd begrapschen sich die Akteure. Hinter ihnen hinkt der bucklige Richard (Lars Eidinger) herein und murmelt seinen traurigen Monolog: „Doch ich, zu Possenspielen nicht gemacht / Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt / In diese Welt des Atmens, halb kaum fertig / Gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend / Dass Hunde bellen, hink ich wo vorbei…“

Die Bühne ist eine halbrunde Manege, steil erheben sich die Zuschauerränge. Ganz nah ist man den Spielern und wird komplizenhaft in das Geschehen hinein gezogen. Regisseur Thomas Ostermeier ließ dauerhaft Shakespeares „Globe“-Theater nachbauen.

Bald fordert der völlig entblößte Richard von Lady Anne (Jenny König), ihn mit seinem Schwert zu töten, weil er doch ihren Mann ermordete – aber zum Schluss küsst sie ihn. Mit solch eindringlichen Bildern, dann wieder mit Klamauk, wird die Geschichte Richards erzählt, der sämtliche Widersacher aus dem Weg räumte, um Englands König zu werden.

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Ein mitreißendes Traumspiel – „Der Sturm“ nach Shakespeare

Es war zwar kalt im Freilichttheater in Bad Soden-Salmünster (Osthessen), doch die Compagnie Feel-X präsentierte mit „Der Sturm“ von William Shakespeare ein heißes, großartiges Bühnenstück:

Während des Schauspiels wird es langsam dunkel im Kurpark, mehr und mehr schaffen farbige Lampen diverse Stimmungen auf der Bühne statt aufwändige Kulissen. Als Vorspiel erleben die Zuschauer den siegreichen Kampf des Schiffbrüchigen Prospero gegen die Hexe Sycorax, die einst die abgelegene Insel beherrschte. Der Sieger raubt ihre Zauberkräfte und lebt dort einsam mit seiner heranwachsenden Tochter. Zu Diensten sind ihm Caliban, der bösartige und missgestaltete Sohn der Hexe, sowie Luftgeist Ariel und viele andere Flatterwesen.

Das Stück beginnt zwölf Jahre später mit einem mächtigen, von Prospero (Thomas Hummel) entfachten Sturm, der den Schiffsuntergang alter Feinde herbeiführt und sie ebenfalls als Gestrandete auf die Insel verschlägt. In dem dann folgenden Traumspiel zeigt die Compagnie eine romantische Liebesgeschichte, dramatische Machtkämpfe zwischen Prospero und seinen alten Widersachern, zauberhafte Geisterspiele und derbe Possen – eben einen echten Shakespeare. Man muss die Geschichte Prosperos, des einstigen, durch seinen Bruder verdrängten Herzogs von Mailand nicht kennen. Denn als der Sturm alles auf der Insel durcheinander wirbelt, wird in den folgenden Querelen mit Tochter Miranda (Carina Zeller), Luftgeist Ariel (Michaela Feldmann) oder „Inselungeheuer“ Caliban (Sarah Wiedergrün) die Vorgeschichte deutlich. Weiterlesen