Es war zwar kalt im Freilichttheater in Bad Soden-Salmünster (Osthessen), doch die Compagnie Feel-X präsentierte mit „Der Sturm“ von William Shakespeare ein heißes, großartiges Bühnenstück:
Während des Schauspiels wird es langsam dunkel im Kurpark, mehr und mehr schaffen farbige Lampen diverse Stimmungen auf der Bühne statt aufwändige Kulissen. Als Vorspiel erleben die Zuschauer den siegreichen Kampf des Schiffbrüchigen Prospero gegen die Hexe Sycorax, die einst die abgelegene Insel beherrschte. Der Sieger raubt ihre Zauberkräfte und lebt dort einsam mit seiner heranwachsenden Tochter. Zu Diensten sind ihm Caliban, der bösartige und missgestaltete Sohn der Hexe, sowie Luftgeist Ariel und viele andere Flatterwesen.
Das Stück beginnt zwölf Jahre später mit einem mächtigen, von Prospero (Thomas Hummel) entfachten Sturm, der den Schiffsuntergang alter Feinde herbeiführt und sie ebenfalls als Gestrandete auf die Insel verschlägt. In dem dann folgenden Traumspiel zeigt die Compagnie eine romantische Liebesgeschichte, dramatische Machtkämpfe zwischen Prospero und seinen alten Widersachern, zauberhafte Geisterspiele und derbe Possen – eben einen echten Shakespeare. Man muss die Geschichte Prosperos, des einstigen, durch seinen Bruder verdrängten Herzogs von Mailand nicht kennen. Denn als der Sturm alles auf der Insel durcheinander wirbelt, wird in den folgenden Querelen mit Tochter Miranda (Carina Zeller), Luftgeist Ariel (Michaela Feldmann) oder „Inselungeheuer“ Caliban (Sarah Wiedergrün) die Vorgeschichte deutlich.
Die Akteure stehen nicht als Prothesen für redende Münder herum – entweder sind sie selbst in Bewegung oder Luftgeist Ariel schwirrt oft zwischen ihnen. Auch andere Geister tanzen oder vogelartige Wesen verwirren die schiffbrüchigen Feinde Prosperos und treiben sie in den Wahnsinn. Oft hält sich die Inszenierung an die Sprache Shakespeares, manchmal ist sie behutsam dem Stück hinzugefügt – besonders in den burlesken Szenen mit dem Narren (Felix Wiedergrün), Mundschenk Stephano (Gerold Lotz) und Caliban. Dieses derb-komische Trio ruft viel Gelächter und spontanen Szenenapplaus hervor. Aber die Atmosphären wechseln durchaus mit schwärmerischen Begegnungen der Liebenden Miranda und dem auf der Insel gestrandeten Prinzen Ferdinand (Andreas Hummel) oder ernsthaften Auseinandersetzungen zwischen anderen Figuren.
Die Inszenierung zollt der Vorlage viel Respekt, erlaubt sich aber kleine Veränderungen: So wird etwa der Bruder des Königs von Neapel zu dessen Schwester Veneta (Maria Hummel), die mit Prosperos Bruder Antonio (Benjamin Emeling) balzt und konspiriert. Das bereits abwechslungsreich gestaltete Stück wird zusätzlich durch eigene Gesänge des Ensembles („Kommst du mit Shakespeare, sind die Weiber gleich ganz hin“), selbst produzierte Geräusche und Percussionklänge sowie atmosphärisch dichter Musik vom Band aufgelockert.
Viele Akteure der Compagnie Feel-X haben in den letzten Jahren deutlich an Professionalität und Sprachkraft gewonnen. Ihre Spielfreude steckt das begeisterte Publikum an, die dreistündige Vorstellung vergeht schnell. Wenn die Schafskälte für die nächsten Theaterabende fortgezaubert sein wird, sind noch schönere „Sommernachtsträume“ zu erwarten. Mit Shakespeare kann das Ensemble zu Recht doppelsinnig von sich sagen: „Wir sind vom Stoff aus dem die Träume sind.“
Weitere Aufführungen am 26. / 27. Juni, 2. / 3. Juli
Karten und weitere Infos www.ensemble-feelx.de