Rundgang Kunststation: Bodo Korsig

Man kann die Arbeiten Bodo Korsigs in seiner Schau „Gedankenströme“ ganz unbefangen betrachten, ohne etwas über seine künstlerischen Absichten zu wissen.

Nehmen wir das mächtige Filzobjekt „Escape from Memory“ (Foto) mit den ausgeschnittenen Mustern, den „Cut-outs“ wie man neudeutsch sagt. Die Skulptur, wie er sie nennt, hängt an der weißen Wand der großen Halle und fließt auf dem Boden aus. 

Die Arbeit ist einfach eine schöne aber auch verwirrende Gestaltung – und zugleich bewegend: Sie mutet an wie eine im Bildwerk festgehaltene Klangkomposition, die Tanzlust provoziert. Doch man kann in dem löchrigen – etwa zwei mal vier Meter – großen Gebilde auch skurrile Wesen, grimmige Fluggeister, bedrohliche Gewächse entdecken und sich fragen: Was machen die denn hier miteinander? 

Es überrascht nicht, dass Korsig vor 25 Jahren eigentlich mit großformatigen Holzschnitten bekannt wurde, diese Technik findet sich in seinen „Cut-outs“ wieder. Doch erstaunlicherweise liegen den – scheinbar zunächst einfach zu interpretierenden schwarzen Filz-Objekten – komplexe Überlegungen des Künstlers zugrunde. „Ich stehe hinter Dir und schaue durch dein Gehirn“, spaßt der Künstler mit einem Besucher. Tatsächlich scheinen dessen vergrößerten neuronalen Strukturen wie ein lebendes Bild an die Wand projiziert zu sein: Ein „Windows of the Mind“, ein Fenster des Gehirns, wie die hier besprochene Arbeit früher einmal hieß. 

Dennoch sind Korsigs Werke nicht theoretisch überfrachtet: „Das Leben ist ernst genug“, meint der In New York und Trier lebende Künstler, „es muss auch Spaß machen.“

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Frühjahr in der Kunststation

Beim Rundgang durch die Frühjahrsausstellungen in der Kunststation kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Was für eine unglaubliche Vielfalt an Werken – aus verschiedensten Materialen und mit unterschiedlichsten Techniken – haben vier Kunstschaffende in ihren individuellen Ausstellungen zusammengetragen.

Alle Künstlerinnen und Künstler waren zur Eröffnung anwesend, um mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen.

Peter Mayer zeigt zahlreiche Collagen und Installationen aus Hunderten unterschiedlicher Fundstücke, wie Fahrradschläuchen, verwelkten Pflanzen oder Polaroid-Fotos. Bodo Korsig präsentiert riesige Filzobjekte mit herausgeschnittenen Mustern und Installationen. Sonja Kuprat entführt das Publikum in grellfarbige oder finstere Wolkenlandschaften die zum Träumen anregen. Anette Kramer zeigt in der Studioausstellung ihre gezeichneten Figuren mit gleichen Bewegungen aus unterschiedlichen Perspektiven. 

„Wahrnehmung“, betonte Kuratorin Dr. Elisabeth Heil bei der Vernissage, das sei „ein Wort, das immer wieder in Texten über Kunst, Künstlerinnen und Künstler vorkommt.“ Doch Wahrnehmung ist ein komplexer Prozess, der nicht nur die Sinne anspricht, sondern durch innere und äußere Prozesse beeinflusst wird. Kunstschaffende hinterfragen diese Wahrnehmungsprozesse, spielen, verfremden oder irritieren sie bewusst mit ihren Gestaltungen.

„Fluide Bildwelten“, der Titel von Mayers Collagen macht deutlich, dass die vielen Fundstücke die er miteinander verbindet, Momentaufnahmen seiner Erinnerungen sind. Zu jedem „Teilchen“ erzählt er Geschichten, Feldpostbriefe fand er in einem gekauften Haus, Portland-Zementsäcke brachte er aus Marokko mit. Das klingt spannend, aber man muss es nicht wissen, um sich von den riesigen Werken berühren zu lassen, die einen in seiner Schau zunächst begegnen. Man kann zwar versuchen Mayers Geschichten zu entschlüsseln, doch seine Arbeiten sind keine Ratespiele. Es sind ästhetische Kompositionen, die etwas in uns zum Schwingen bringen. 

Korsigs „Gedankenströme“, so der Titel seiner Installationen und Objekte, liegen komplexe neurologische Phänomene zugrunde – aber auch die muss man nicht nachvollziehen, um die einzelnen Arbeiten auf sich wirken zu lassen.

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Gemalte Kunst auf Ansichtskarten…

Im Rahmen der drei Winterausstellungen der Kunststation zeigt Roland Stratmann seine Schau „WeltLäufig“. Zwei Arbeiten des Künstlers, die sich wie viele seiner Werke mit Reisen beschäftigen, gehören scheinbar zusammen.

Auf einem Bild schauen offensichtlich schwarze Jugendliche auf langen Stelzen den Betrachter von oben herab grimmig oder herausfordernd an. Unter ihnen verkünden zwei Schriftzüge: „I have never Seen such a Thing before / they don’t even have normal sidewalks.“ „So etwas habe ich noch nie gesehen, die haben nicht mal normale Bürgersteige.“ Den Hintergrund, gleichsam die Leinwand des riesigen Tableaus mit mehr als zwei mal drei Metern, bilden die in diversen Sprachen beschriebenen Rückseiten von 400 Ansichtskarten aus aller Welt. Von einer dieser einst verschickten Karten stammt die arrogante Nachricht über die fehlenden Bürgersteige. Roland Stratmann hat bei aller Komplexität seiner Objekte auch viel grotesken Humor, denn seine Konfrontation des Touristenspruchs mit der Tuschzeichnung der Kids auf Stelzen könnte meinen: wozu brauchen die denn Bürgersteige?

Auf dem Boden davor sind viele Seiten eines alten Diercke-Atlas auf einer Platte von zwei mal drei Metern ausgebreitet, darauf verteilen sich elf verschiedene Drahtfiguren. Sie beschreiten als Urlauber die Länder oder eroberten sie früher kolonialistisch und warfen ihre Schatten. Als Betrachter sieht und bringt man beide Werke zusammen, obwohl sie aus unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers stammen.

Ohne dass man etwas über dieses Arrangement weiß, fasziniert es durch seine reine Anmutung. Darüberhinaus fordern beide Tableaus zur eigenen Bewegung heraus: Um das Bodenbild „WeltAtlas“ muss man herumgehen und sich bücken, an das Wandbild „I have never seen“ muss man näher herangehen, um die Postkarten erkennen oder lesen zu können. Das Bild besteht – wie die meisten Werke des Künstlers – aus verschiedenen Schichten: den handgeschriebenen Karten, einem daraus meist destillierten Spruch und den dominierenden Tuschzeichnungen (wir berichteten). In diesem „Dreischicht-Verfahren“ (Trescher) entstehen leicht reliefartige Objekte.

Die aus Datenkabeln gefertigten und dadurch symbolisch miteinander vernetzten Figuren nehmen Länder ein, hinterlassen Ökologische Fußabdrücke, werfen düstere Schatten auf Teile der Welt. Aber sind es ihre realen Silhouetten, vielleicht sind es nur die schattigen Klischees der Wesen, exotische Fantasien, die sie von den betretenen Ländern haben? Ähnliches gilt für das Stelzenlaufen der Kids, das einst in einer afrikanischen Kultur Teil eines Initiationsritus war –  heute aber bewusst als „Folklore“ für Touristen inszeniert wird. Zeigen die Gesichter der Kids postkoloniale Empörung oder sind es Fratzen für sich fürchten wollende Reisende?

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Neue Objekte im Skulpturengarten der Kunststation

Gerade in den Zeiten, als die Ausstellungshallen in Kleinsassen geschlossen oder nur eingeschränkt besuchbar waren, bekam der Skulpturengarten um die Kunststation herum wieder mehr Aufmerksamkeit. In der letzten Zeit sind auf dem ständig zugänglichen Anwesen weitere künstlerische Objekte aufgestellt oder montiert worden. 

Im großen Baum vor der Ausstellungshalle schwankt oder dreht sich ein großes Spiegelobjekt im Wind und bildet, manchmal wie ein schneller Film, im Wechsel Äste mit Blättern, den nahen Kirchturm oder den Himmel ab. Das Kunstwerk „Lichteinfall“ ist eine Dauerleihgabe des Schlüchterner Künstlers und Architekten Gerwin von Monkiewitsch. Seit einigen Jahren kreiert er die spiegelnden Blechplastiken, die einerseits als Fremdkörper in der Landschaft stören, andererseits aber die Anmutung der Natur durch ihre Wiedergabe verstärken.

In einem zweiwöchigen Symposium im September vor der Station, schufen die Bildhauer Lothar Nickel und Johannes Klüber, aus einem tonnenschweren Marmorblock bzw. einem riesigen Holzstamm, neue Objekte für die Anlage. Zum ersten Mal kreuzten sich die Wege der Künstler, obwohl beide schon lange in der Region leben und arbeiten. Trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsweisen entdeckten sie viele Gemeinsamkeiten. Beide waren vor allem mit der Frage beschäftigt, „was macht die Form mit dem Raum?“ Die Natur nimmt die Größe der Kunstwerke problemlos auf, aber im Skulpturengarten entstehen zwischen den vorhandenen Plastiken sofort Beziehungen – die es zu beachten gilt. Bei gutem Wetter stieß Ihre öffentliche Arbeit auf reges Publikumsinteresse, viele Leute haben nur zugesehen, mit anderen gab es aber auch intensive Gespräche. 

Mittlerweile sind beide Objekte auf dem Gelände aufgestellt: Klübers eher reduzierte und konzeptionelle Holzsäule mit spannungsreichen lichtdurchlässigen Einschnitten und den eingekerbten Worten „Baum Art / Stamm Art / Stand Art / Eiche“. Nickel schuf eine figurative Plastik, das weiße „Himalalama“, das er schon einmal wesentlich größer im italienischen Carara unterhalb der Marmorbrüche herstellte. Mit ihrer Werkschau sind die beiden Künstler auch in der laufenden Herbst- Ausstellung der Station präsent (wir berichteten). 

Bereits im Sommer fertigte Hama Lohrmann mit Rhönsteinen sein „Kosmisches Wurmloch“. Das Land-Art-Projekt war von der Kunststation eigentlich für den – ausgefallenen – Hessentag in Fulda geplant und schmückt nun den Skulpturenpark. Weichen musste dafür die einnehmende Stahlplastik Matti Kujasalos, die demnächst auf dem nahen Hügel oberhalb des Kunsthauses einen neuen Platz finden wird.

Info:
Flyer zum Herunterladen auf der Webseite www.kunststation-kleinsassen.de

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Eine Zusammenarbeit von Künstler & Natur

Jens Rausch (45) ist einer der drei Künstler, der seine neuen Arbeiten in der Herbstausstellung der Kunststation in Kleinsassen (Rhön), unter dem eigenen Titel „Echo 2“ präsentiert. Er ist in Fulda aufgewachsen, hat hier studiert und lebt jetzt in Hamburg.  

Bereits im letzten Jahr entsandte ihn die Kunststation – im Rahmen des Via-Regia-Künstleraustausches – ins Schloss Königstein bei Görlitz. Bei der Führung durch die aktuelle Ausstellung deutet Kuratorin Dr. Elisabeth Heil auf die Kreationen „Entkernung“ und „Feldstudie“. „Das sind ältere Arbeiten“, meint sie lächelnd, „doch die sind gerade mal drei Jahre alt.“ Der experimentierfreudige Künstler entwickelte sich rasant weiter und schuf in kurzer Zeit ein gewaltiges Oeuvre. Seine früheren Werke, etwa die Sonnenblumenfelder, wirken beim flüchtigen Hinschauen wie Abbilder. Doch Rausch strebt keine Wiedergabe der Natur an, kreierte noch nie gefällige Landschaften. 

Nun weisen die Oberflächen der Materialbilder häufiger zentimeterdicke Krusten und Belage auf. Immer stärker nutzt er dazu natürliche Substanzen wie Bitumen, Ruß, Asche, Metalloxyde, Kalk oder Steinmehle, die er mit Öl bindet und auf die Leinwände pinselt, schüttet oder fließen lässt. Doch mit diesen Mitteln malt er nicht anstelle von Farbpigmenten, nur gelegentlich nutzt er schwarze oder weiße Farbe „zum Nachschärfen.“ Zufälle und Veränderungen der Stoffe beim Auftragen bestimmen die Tableaus. Reines Eisen oder Kupfer oxidiert und ändert mit der Zeit die Farbe, Bitumen wandelt seinen Zustand. Rausch kann stets nur ahnen und wird immer wieder überrascht, wie sich die Objekte selber (mit-) gestalten. „Ich berge sie aus dem Material“, meint er bescheiden.

Jedoch allemal greift der Künstler ständig ein – kratzt, schabt, verwischt die Oberflächen, nutzt den Schneidbrenner, um Stellen oder Löcher abzusengen oder reißt tiefere Schichten wieder auf. Dann schimmern in neueren Werken auch Zeilen aus Telefonbüchern durch die Risse. Rausch metamorphosiert seine Materialien in natürlichen Prozessen. Kuratorin Heil erklärt, so mache er die Natur zum großen Thema seiner Kunst und bringe dadurch ein tiefes Naturerleben zur Anschauung.

Zwei neue Arbeiten, die jeweils neben einem Fenster hängen, sollen etwas näher betrachtet werden. Das Format der hohen schmalen Fenster entspricht der schlanken Bilderform. Von außen milde hereindringendes Licht verweist auf die Natur und erhellt die wie Baumstämme wirkenden Objekte. Aus dem Tableau „Entwurzelung“ hängt sogar eine echte Wurzel heraus. Im Bildnis „Einblick“ schimmern Adressfragmente eines Telefonbuchs vage durch die aufgerissene Masse. 

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Licht auf Papier…

In der neuen Studioausstellung „Licht auf Papier“ der Kunststation Kleinsassen, zeigt Susanne Casper-Zielonka ihre eigenartigen Fotografien. Sie entstanden durch Direktbelichtungen mit einer riesigen Reprokamera.

Bei einem flüchtigen Blick, den man in der Kunstbetrachtung ja nicht haben sollte, möchte man die ausgestellten Werke der Künstlerin schnell als Abbilder der Natur einordnen. Doch je länger man ihre Arbeiten anschaut, um so stärker löst man sich vom ersten Eindruck: Man nimmt weiche florale Gebilde wahr, die von innen heraus zu leuchten scheinen. Zarte, abstrakt wirkende Dinge schwimmen in Helligkeit. Erkennbare Pusteblumen oder Schachtelhalme lösen sich in Dunst auf oder wandeln ihre Formen. Diese optische Wirkung wird durch eine Vielzahl von Grautönen sowie schattige und helle Effekte erreicht.

Es ist, als würde man in einer traumartigen Welt geheimnisvollen Pflanzen begegnen. Diese Bilder, die einen so verzaubern, sind jedoch keine Zeichnungen oder Malereien, keine Lithografien oder andere Drucke – sondern Fotografien. Das Synonym für Fotografie ist Lichtbildkunst oder Lichtbildnerei – und genau die kreiert Casper-Zielonka mit ihren Kreationen. Obwohl sie mit darstellenden Mitteln arbeitet, durchdringt und verfremdet sie die eigentlich reproduzierte Wirklichkeit.

Vor vielen Jahren entdeckte und erwarb die gelernte Fotografin zufällig eine gigantische alte Reprokamera, die in einer Druckerei verwendet wurde. Mit diesem schweren Gerät von etwa einer halben Tonne kann sie Aufnahmen von 70 x 50 Zentimeter herstellen. Obwohl sie bis dahin alle digitalen Techniken nutzte, war sie begeistert von der Idee, mit diesem Fundstück „neue alte Wege zu gehen.“ Denn sie lernte in Frankfurt einst die Schwarz-Weiß-Fotografie und widmete sich ihr lange Zeit intensiv. 

Casper-Zielonka arrangiert ihre floralen Objekte direkt auf dem großen matten Fotokarton, stellt die Reprokamera scharf und belichtet den Bogen mit wenigen oder vielfachen Blitzen. Dann entwickelt sie die Aufnahme durch wässern, fixieren, wässern, trocknen: wie es in der analogen Fotografie üblich ist. Das so entstandene Werk ist eigentlich „nur“ ein Negativ, aber durch die verschiedenen technischen Eingriffe, durch ihre Lichtmalerei, entstehen zauberhafte, scheinbar „positive“ Wirkungen. Die Künstlerin kreiert maximal drei gleiche Unikate mit dieser einzigartigen Technik, um die Wertigkeit ihrer Werke zu erhalten.

„Ich bin eine Hinguckerin“, meint sie im Gespräch –  also keine Zauberin, und mit der Zeit lernte sie genau, wo sie was nachbelichten oder abdunkeln muss. In der Kunststation präsentiert sie große Bilder aus der Serie „Rhönschönheiten“ mit dem etwas ironischen Untertitel „Belanglose Pflanzen am Wegesrand.“ Dazu gibt es eine Auswahl detaillierterer Arbeiten im Format 20 x 20 Zentimeter aus dem Projekt „100 x Wald“.

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Humor kommt nicht zu kurz…

Die Kleinsassener Kunstwoche in der Rhön findet aufgrund der Unwägbarkeiten durch Corona auch in diesem Jahr nicht statt. Deshalb wurde das Projekt der Kunstgärten wieder aufgegriffen, mit 37 Skulpturen ist es – im Rahmen des Kultursommers Main-Kinzig-Fulda – eine große Attraktion für das Malerdorf.

Viele der Kunstwerke schmiegen sich in die Gärten oder an die Ränder der Rhöner Wildnis, als wären sie hier schon immer gewesen: Über dem murmelnden Bach in der Ortsmitte schwankt „Der Veränderer“ im Wind, ein von einem Baum hängender Stahlstern mit bunten Kugeln. Das Paar aus Bronze umklammert sich vor einem Hauseingang und fühlt sich „Geborgen“. Am Dorfrand blöken echte Rhönschafe den Besucher eines lebensgroßen „Weiblichen Torsos“ aus Beton an. Dagegen lagern auf einer kleinen Wiese mehrere große Felsbrocken, aus denen steinerne Schafsköpfe herausgucken. Große rostige Stahlbänder verschlingen sich zu einem „Tanz 1“. Ein mit Sägen und weiteren Werkzeugen gespickter Baumstumpf verweist als „RauB-Bau“ auf den Klimawandel.

Sonja Reith hat in dem von ihr organisierten Projekt sehr unterschiedliche plastische Arbeiten zusammengetragen und viele dazu passende Orte gefunden. Bei den realistischen, abstrahierten oder konkreten Skulpturen kommt auch der Humor nicht zu kurz: In einem Vorgarten vergnügen sich kleine, grell bemalte „Gute Laune Mädels“ aus Beton. „Der Sternengrabscher“, ein schwarzes zweidimensionales Eisenmännchen, greift nach den Gestirnen. „Der Rhönschäfer mit Herde“, eine grobe, mit der Kettensäge zugerichtete hölzerne Werkgruppe, steht unter einem Baum. Bildhauer Elmar Baumgarten reimte dazu: „Der Schäfer steht im Zwetschgenbaum. Man sieht ihn vor lauter Zwetschgen kaum. Die Herde ist ihm einerlei.
Von den Zwetschgen gibt’s die Scheißerei!“

Zu den ständigen Austellern und Ausstellerinnen der Kunstwoche, lud Organisatorin Reith auch Gäste wie Baumgarten ein, der noch zwei weitere Holzplastiken mit passenden Versen beisteuerte. Alexander Litwinow intallierte mehrere Recycling-Figuren aus Metall, etwa den „Begeisterten Lauf“ am Ortsende von Kleinsassen. Oder Sabine Lehrich platzierte ihre luftigen Drahtgebilde, „Die Sitzende und die Tänzerin“, in der Nahe der Kunststation. Die Eingeladenen erweitern die Vielfalt und Qualität dieses Projekts beträchtlich. 

Auf den Wegen im Dorf warten auch drei afrikanisch wirkende Skulpturen von einem Gast, etwa die Frauenfigur „Still waiting“ aus weichem Serpentingestein. Bevor sich Proteste gegen die „kulturelle Aneignung“ aus der identitären Ecke erheben: der Bildhauer ist Afrikaner. Und um Kritik aus der anderen Richtung zu vermeiden: Wimbai Ngoma ist kein Flüchtling, sondern ein international arbeitender Künstler aus Simbabwe.

Auch der Skulpturengarten um die Kunststation – mit dem neuen Werk „Kosmisches Wurmloch“ aus Steinen – ist Teil des Parcours.

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Ein moderner Illusionist in der Kunststation

Tobias Dostal gehört zu den jüngeren Künstlern in der aktuellen Ausstellung „Licht!“ der Kunststation Kleinsassen (Rhön). Erstaunlicherweise arbeitet er ganz bewusst mit ziemlich „altmodischen“, also analogen und mechanischen Techniken.

In beleuchteten Wandkästen gleiten scheinbar, bedingt durch das wechselnde Licht, flache Figuren aus Acrylglas umher. Mit wenigen unterschiedlichen Bildern suggerieren sie Bewegung. Drei dieser Lichtkästen, nebeneinander als Triptychon aufgehängt, entfalten eine erstaunliche magisch-kontemplative Wirkung. 

Als Skulpturen drehen sich einige Gebilde aus Acryl und Blech mit hoher Geschwindigkeit um sich selbst, im Auge der Betrachter entstehen durch das Tempo der Umläufe diverse Silhouetten. Sie verdichten sich zu winzigen bewegten Geschichten, die an „Daumenkinos“ oder frühe Kinofilme – als die Bilder laufen lernten – erinnern.

Eine dieser „Illusionsmaschinen“ (so Kuratorin Dr. Elisabeth Heil) destilliert aus den schnellen Drehungen Tobias Dostals eigenes Profil. Das begegnet der Silhouette von Georges Méliès, dem französischen Illusionisten und Filmpionier des 19. Jahrhunderts. Denn hier sieht Dostal seine Wurzeln, der übrigens auch als moderner Zauberkünstler für Jugendliche und Erwachsene arbeitet. Die ungeheure digitale Bilderflut unserer Zeit will er mit seinen Arbeiten sowohl bewusst reduzieren als auch verdeutlichen.

Das Spannende in seinen Werken ist die fast immer erkennbare Antriebs- und Wirkungsweise der Kunstgeräte, die dennoch verzaubern und Illusionen schaffen. Dostal wuchs in Bad Hersfeld auf und ist auch ein hervorragender Zeichner, der 2017 in Oldenburg den gut dotierten Horst-Janssen-Grafikpreis erhielt: „Er verbindet in seinen Arbeiten die Elemente Zeichnung, Film und Installation auf einzigartige Weise“, meinte die Jury. Das ist auch in der Kleinsassener Ausstellung „Licht!“ nachzuvollziehen, die durch seine Beiträge originell und spielerisch erweitert wird.

Info:

Ausstellung „Licht!“ von zehn internationalen Kunstschaffenden noch bis zum 29. August.

Keine Anmeldung und Testpflicht. Da sich die Corona-Maßnahmen ständig ändern, wird ein Anruf oder Besuch der Webseite empfohlen

www.kunststation-kleinsassen.de

Foto:
„Tobias Dostal vor einer Illusionsmaschine“ Hanswerner Kruse

Die Poesie des Augenblicks

„Meine Ausstellung ist der Film über mich“, beteuert ganz ohne Bitterkeit Christine Mann, die diesjährige Via-Regia-Stipendiatin der Kunststation, zum Abschied von Kleinsassen.

Zum vierwöchigen Aufenthalt der Görlitzer Künstlerin in der Rhön gehörte neben dem Ausstellungshonorar nämlich auch eine Salonschau im renommierten Kunsthaus. Doch aufgrund des Corona-Lockdowns gab es keine Vernissage, ihre Ausstellung im Studio wurde (noch) nicht aufgebaut.Stattdessen ließ die Kunststation ein professionelles Video drehen, das auf der Webseite gezeigt wird.

In das zeitweilige Gast-Atelier Manns kamen wenig Leute zum Ansehen ihrer farbenfrohen Gemälde und zu Gesprächen, weil die Kunststation wegen des Lockdowns nur kurz geöffnet war. Doch trotz dieser Unbilden ist die Künstlerin glücklich: „Mir kam die Einsiedelei sehr entgegen“, sagt sie, „vier Wochen lang habe ich einfach nur intuitiv gemalt, gemalt und gemalt. Ich habe keine Bilder, keine Motive geplant, sondern mich und die Farben einfach fließen lassen.“ 

Die Acryl-Farben, die sie spontan nebeneinander, übereinander oder ineinander auftrug, stehen bei ihr immer im Vordergrund. „Wenn überhaupt, dann kommt die Form erst später dazu“, erklärt sie. Eigentlich war sie nach dem Studium Diplom-Pädagogin geworden. Doch auf einer Reise durch Frankreich faszinierten sie die Kirchenfenster der Kathedrale in Reims. Deshalb studierte sie tatsächlich noch in der Akademie Burg Giebelstein verschiedene künstlerische Techniken der Glasgestaltung. 

Eines Tages bekam sie einen alten Röntgentisch, also einen Leuchttisch geschenkt. Auf der von unten beleuchteten Glasplatte drapiert sie nun Reste von farbigen Glasscheiben, Pflanzenteile, Schleier und andere halbtransparente Dinge. Gelegentlich malt sie etwas dazu oder trägt Monotypien auf, bis ihr das Bild stimmig erscheint. So entstehen Material- und Farbcollagen mit wenig figurativen Elementen. Mann fotografiert diese großen Collagen ab und lässt sie ohne weitere Nachbearbeitung auf Alu-Dibond drucken. Diese geheimnisvollen Kompositionen aus Farbe und Licht wirken wie durchscheinende Glasbilder oder moderne sakrale Fenster. Mit der aufwendigen Technik ist der Künstlerin ein individuelles Oeuvre gelungen, das eigentlich im Studio der Kunststation präsentiert werden sollte.

Nun sind diese Arbeiten wenigstens im Film zu sehen, ebenso wie die in Kleinsassen entstandenen Acrylwerke, über die Mann mit der Künstlerin Teresa Dietrich im Video spricht. Auch diese Fuldaer Malerin war vor einigen Jahren im Schloss Königshain bei Görlitz als Stipendiatin zu Gast.

Ebenso wie andere Kunstschaffende der Region etwa Veronika Zyzik, Ulrike Kuborn oder Bernd Baldus. 

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Drohnen über den Kunstwerken und Bilder to go…


Die Kunststation Kleinsassen in Zeiten der Corona:
Im Dezember wurden zwar die Winterausstellungen der Kunststation eröffnet, mussten aber bald wegen des Lockdowns wieder schließen. Doch die emsige Leiterin Monika Ebertowski und ihr Team ließen sich einiges einfallen, um Kunstinteressierte dennoch mit zeitgenössischen Werken zu erfreuen.

Videoclips zu aktuellen Ausstellungen gab es bereits früher, doch nun werden virtuelle Rundgänge durch jede Ausstellung mit Kommentaren der Kuratorin Dr. Elisabeth Heil oder von Kunstschaffenden auf der Webseite veröffentlicht. 

Der Maler Siegfried Räth präsentiert in seiner Schau „Geführt verbunden“ eigenartige und sehr unterschiedliche Bildwelten von abstrakten Gemälden bis zu figurativen Wimmelbildern. Man muss sie nicht „verstehen“, sondern kann sie wie Träume auf sich wirken lassen. Räth malt intuitiv und assoziativ ohne Vorzeichnen auf die Leinwand. Seine Arbeiten sind komplexe verrätselte Erzählungen, keine in sich geschlossenen, realistische Arbeiten. „Sie sind ein Spiegelbild des Lebens mit seinen Widersprüchen und Ungereimtheiten“, meint Dr. Heil im Video. 

Die Leiterin der Kunststation Monika Ebertowski vor einer Arbeit von Siegfried Räth

Ralf Klement zeigt mit „Element 13“ eine sorgsam angeordnete Töpfe, Kannen und Wannen mit Gebrauchsspuren aus Aluminium, die viele individuelle Erinnerungen bei Betrachtern wecken (siehe Bild oben). Diese riesige monochrome Installation konfrontiert er mit groben, leicht schrulligen Holzskulpturen, etwa einer Ratte die zwischen absperrenden Pylonen ein Schlagloch repariert.
Oder mit großformatigen tachistischen Malereien:

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