Humor kommt nicht zu kurz…

Die Kleinsassener Kunstwoche in der Rhön findet aufgrund der Unwägbarkeiten durch Corona auch in diesem Jahr nicht statt. Deshalb wurde das Projekt der Kunstgärten wieder aufgegriffen, mit 37 Skulpturen ist es – im Rahmen des Kultursommers Main-Kinzig-Fulda – eine große Attraktion für das Malerdorf.

Viele der Kunstwerke schmiegen sich in die Gärten oder an die Ränder der Rhöner Wildnis, als wären sie hier schon immer gewesen: Über dem murmelnden Bach in der Ortsmitte schwankt „Der Veränderer“ im Wind, ein von einem Baum hängender Stahlstern mit bunten Kugeln. Das Paar aus Bronze umklammert sich vor einem Hauseingang und fühlt sich „Geborgen“. Am Dorfrand blöken echte Rhönschafe den Besucher eines lebensgroßen „Weiblichen Torsos“ aus Beton an. Dagegen lagern auf einer kleinen Wiese mehrere große Felsbrocken, aus denen steinerne Schafsköpfe herausgucken. Große rostige Stahlbänder verschlingen sich zu einem „Tanz 1“. Ein mit Sägen und weiteren Werkzeugen gespickter Baumstumpf verweist als „RauB-Bau“ auf den Klimawandel.

Sonja Reith hat in dem von ihr organisierten Projekt sehr unterschiedliche plastische Arbeiten zusammengetragen und viele dazu passende Orte gefunden. Bei den realistischen, abstrahierten oder konkreten Skulpturen kommt auch der Humor nicht zu kurz: In einem Vorgarten vergnügen sich kleine, grell bemalte „Gute Laune Mädels“ aus Beton. „Der Sternengrabscher“, ein schwarzes zweidimensionales Eisenmännchen, greift nach den Gestirnen. „Der Rhönschäfer mit Herde“, eine grobe, mit der Kettensäge zugerichtete hölzerne Werkgruppe, steht unter einem Baum. Bildhauer Elmar Baumgarten reimte dazu: „Der Schäfer steht im Zwetschgenbaum. Man sieht ihn vor lauter Zwetschgen kaum. Die Herde ist ihm einerlei.
Von den Zwetschgen gibt’s die Scheißerei!“

Zu den ständigen Austellern und Ausstellerinnen der Kunstwoche, lud Organisatorin Reith auch Gäste wie Baumgarten ein, der noch zwei weitere Holzplastiken mit passenden Versen beisteuerte. Alexander Litwinow intallierte mehrere Recycling-Figuren aus Metall, etwa den „Begeisterten Lauf“ am Ortsende von Kleinsassen. Oder Sabine Lehrich platzierte ihre luftigen Drahtgebilde, „Die Sitzende und die Tänzerin“, in der Nahe der Kunststation. Die Eingeladenen erweitern die Vielfalt und Qualität dieses Projekts beträchtlich. 

Auf den Wegen im Dorf warten auch drei afrikanisch wirkende Skulpturen von einem Gast, etwa die Frauenfigur „Still waiting“ aus weichem Serpentingestein. Bevor sich Proteste gegen die „kulturelle Aneignung“ aus der identitären Ecke erheben: der Bildhauer ist Afrikaner. Und um Kritik aus der anderen Richtung zu vermeiden: Wimbai Ngoma ist kein Flüchtling, sondern ein international arbeitender Künstler aus Simbabwe.

Auch der Skulpturengarten um die Kunststation – mit dem neuen Werk „Kosmisches Wurmloch“ aus Steinen – ist Teil des Parcours.

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Komm ins Freie nach Darmstadt…

„Komm ins Freie!“ Mit diesem Appell lockt das Darmstädter Staatstheater zu Open-Air-Veranstaltungen. Auch die Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts machen sich in dieser Woche mit eigenwilligen Darbietungen auf zu einem einstündigen Parcours quer durch die City.

Bereits auf dem Theaterplatz liegen einige bunt bekleidete Figuren stocksteif herum, andere bunt Angezogene hasten am Publikum vorbei, das ihnen in die Stadt folgt. Dort verklumpen sich die Tanzenden zu kleinen Gruppen in freien Körperskulpturen, kauern unter Briefkästen, erobern Balkone oder Vordächer, wickeln sich um Laternenpfähle, hängen an Stangen oder sind in Fahrradständer eingeklemmt. Besonders ulkig ist die Wirkung, wenn sie ihre Hintern in die Luft recken.

Man muss oft lachen auf dieser eigenwilligen Schnitzeljagd, bei der das etwa fünfzigköpfige Publikum untereinander oder mit unbeteiligten Passanten ins Gespräch kommt. Doch manchmal sind die lebenden Bilder im öffentlichen Raum auch verwirrend und beklemmend. Meist findet man sie an abgelegenen oder unauffälligen Orten, es ist erstaunlich, wie viele Lücken, Stangen und eigenartige Plätze es in der City gibt. Natürlich entstehen große Irritationen, wenn Menschen dort in überraschenden akrobatischen Arrangements einfrieren. 

Die ganze Aktion „Bodies in urban space“ (Körper im öffentlichen Raum) ist nicht zufällig und beliebig, sondern wurde vom Choreografen Willi Dorner mit den dreizehn Tänzerinnen und Tänzern erarbeitet. „Alles kann Tanz sein“, proklamierte einst Pina Bausch, die Pionierin des Tanztheaters. Auch hier in Darmstadt sind die körperlichen Eingriffe des Ensembles in den urbanen Raum eine radikale Form des Tanzes – und genauso vergänglich.

Seit 2007 hat Dorner seine Performances in 90 Städten verwirklicht: „Es war in dem Projekt immer mein Anliegen, den Menschen ihre Stadt zu zeigen und Nachdenken über ihre Stadt auszulösen.“

Info:
Nächste und letzte Vorstellung am Freitag 2. Juli 19 Uhr

Fotos:
Hanswerner Kruse