Den poetischen Titel „Gesang der Flusskrebse“ trägt das empfehlenswerte Buch, weil das einsame Mädchen Kya im Grenzgebiet von Zivilisation und wildem Marschland die Flusskrebse singen hören kann.
„Sie sank auf seine Matratze, sah den Rest des Tages die Wand hinabgleiten. Das Licht hielt auch nach Sonnenuntergang noch eine Weile an, wie es das immer tut…“ Nachdem Kyas Mutter für immer fortging, verschwinden bald auch ihre älteren Schwestern sowie ihr geliebter größerer Bruder. „Sie wollte ihn anflehen, sie nicht mit Pa allein zu lassen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken.“
Nun lebt die Sechsjährige allein mit dem versoffenen, brutalen Vater – der häufig wochenlang weg ist – in einer abgelegenen, heruntergekommenen Hütte im sumpfigen Schwemmland. Die Menschen, die dort in Armut leben, werden als „Sumpfgesindel“ beschimpft und diskriminiert. Kya hält es nur einen Tag in der Schule aus und ist ansonsten einsam auf sich gestellt. Mit der Zeit lernt sie Muscheln und Fische gegen andere lebensnotwendige Dinge wie Maismehl oder Schiffsdiesel einzutauschen.
Die Jahre bis zum Erwachsenwerden verbringt sie in engem Kontakt mit der Landschaft, aus der sie Federn, Knochen oder anderes sammelt und sich mit den Möwen anfreundet. Noch vor ihrer Pubertät lernt sie auf romantische Weise den etwas älteren, ebenfalls sehr naturverbundenen Tate kennen, der sie Lesen und Schreiben lehrt: „Sie hatte noch keinen Menschen gekannt, der sich so gelassen bewegte, so gelassen redete. Sicher und entspannt. Schon in seiner Nähe zu sein und nicht mal richtig nah, hatte ihre Anspannung gelöst.“ Die beiden lieben sich, doch nach der Schule verschwindet Tate zum Biologie-Studium in einer fernen Stadt und meldet sich nicht mehr.