Rundgang Kunststation: Bodo Korsig

Man kann die Arbeiten Bodo Korsigs in seiner Schau „Gedankenströme“ ganz unbefangen betrachten, ohne etwas über seine künstlerischen Absichten zu wissen.

Nehmen wir das mächtige Filzobjekt „Escape from Memory“ (Foto) mit den ausgeschnittenen Mustern, den „Cut-outs“ wie man neudeutsch sagt. Die Skulptur, wie er sie nennt, hängt an der weißen Wand der großen Halle und fließt auf dem Boden aus. 

Die Arbeit ist einfach eine schöne aber auch verwirrende Gestaltung – und zugleich bewegend: Sie mutet an wie eine im Bildwerk festgehaltene Klangkomposition, die Tanzlust provoziert. Doch man kann in dem löchrigen – etwa zwei mal vier Meter – großen Gebilde auch skurrile Wesen, grimmige Fluggeister, bedrohliche Gewächse entdecken und sich fragen: Was machen die denn hier miteinander? 

Es überrascht nicht, dass Korsig vor 25 Jahren eigentlich mit großformatigen Holzschnitten bekannt wurde, diese Technik findet sich in seinen „Cut-outs“ wieder. Doch erstaunlicherweise liegen den – scheinbar zunächst einfach zu interpretierenden schwarzen Filz-Objekten – komplexe Überlegungen des Künstlers zugrunde. „Ich stehe hinter Dir und schaue durch dein Gehirn“, spaßt der Künstler mit einem Besucher. Tatsächlich scheinen dessen vergrößerten neuronalen Strukturen wie ein lebendes Bild an die Wand projiziert zu sein: Ein „Windows of the Mind“, ein Fenster des Gehirns, wie die hier besprochene Arbeit früher einmal hieß. 

Dennoch sind Korsigs Werke nicht theoretisch überfrachtet: „Das Leben ist ernst genug“, meint der In New York und Trier lebende Künstler, „es muss auch Spaß machen.“

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Rundgang Kunststation: Anette Kramer

In ihrer Studioausstellung verweben sich Erinnerungen, Träume und Leben…

Anette Kramers langgezogenes Wimmelbild „Sichtbares und Unsichtbares“ dominiert eine Wand in ihrer Studioausstellung „Begegnungen“ in der Kunststation: Schemenhafte menschliche Gestalten hat sie hinter- und nebeneinander mit schwarzer Tusche auf eine drei Meter lange Papierbahn gemalt. Die Wesen tanzen, turnen, streiten, begegnen sich oder stoßen einander ab. 

Insgesamt kann man als Betrachter das Bildwerk gar nicht auf einmal erfassen, selbst wenn man weit zurücktritt. Man muss daran entlang gehen, es weiter betrachten, gleichsam hineintauchen. Nun lösen sich einzelne Gestalten aus dem Gewimmel der „Begegnungen.“ Danach erkennt man ein Paar, in schwarze Tusche als Sgraffito gekratzt. Schwebt darüber ein Umriss der Beiden? Ist das ein Traum des Paares oder das Verblassen gemeinsamer Erinnerungen? Dann folgt eine andere Zeit, ein anderer Ort, umrisshaft treffen im Gewühl erneut Menschenwesen aufeinander. Schließlich beendet ein Tanz oder ein Kampf die getuschten Erzählungen Kramers. Alle dargestellten Situationen sind weder eindeutig ausgemalt noch inhaltlich wirklich greifbar. Man muss sie immer wieder neu ansehen und sich ständig fragen, was passiert denn hier eigentlich? 

Die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, aber ebenso von Erinnerungen und Gegenwärtigem, Realität und Fantasie, also „Sichtbares und Unsichtbares“, wird von der Künstlerin dargestellt – und hier für uns in ihrer Arbeit sinnlich erlebbar. Doch unsere Begegnung mit dem Werk ist ebenfalls durch eigene Prägungen, Erfahrungen und aktuelle Stimmungen beeinflusst. Unsere individuellen Beobachtungen und Wahrnehmungen, die wir hinterfragen könnten, spielen im Bilderlebnis gleichfalls eine Rolle…

Kramers Ausstellung ist eine Einladung ihrer Idee zu folgen: „Leben ist eingewoben in Raum und Zeit und Leben ist Bewegung.“ Auch die übrigen Arbeiten der Hünfelder Künstlerin lassen sich so ansehen und interpretieren wie das zentrale Wimmelbild.

Die Studioausstellung „Begegnungen“ endet am 18. April.

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Frühjahr in der Kunststation

Beim Rundgang durch die Frühjahrsausstellungen in der Kunststation kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Was für eine unglaubliche Vielfalt an Werken – aus verschiedensten Materialen und mit unterschiedlichsten Techniken – haben vier Kunstschaffende in ihren individuellen Ausstellungen zusammengetragen.

Alle Künstlerinnen und Künstler waren zur Eröffnung anwesend, um mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen.

Peter Mayer zeigt zahlreiche Collagen und Installationen aus Hunderten unterschiedlicher Fundstücke, wie Fahrradschläuchen, verwelkten Pflanzen oder Polaroid-Fotos. Bodo Korsig präsentiert riesige Filzobjekte mit herausgeschnittenen Mustern und Installationen. Sonja Kuprat entführt das Publikum in grellfarbige oder finstere Wolkenlandschaften die zum Träumen anregen. Anette Kramer zeigt in der Studioausstellung ihre gezeichneten Figuren mit gleichen Bewegungen aus unterschiedlichen Perspektiven. 

„Wahrnehmung“, betonte Kuratorin Dr. Elisabeth Heil bei der Vernissage, das sei „ein Wort, das immer wieder in Texten über Kunst, Künstlerinnen und Künstler vorkommt.“ Doch Wahrnehmung ist ein komplexer Prozess, der nicht nur die Sinne anspricht, sondern durch innere und äußere Prozesse beeinflusst wird. Kunstschaffende hinterfragen diese Wahrnehmungsprozesse, spielen, verfremden oder irritieren sie bewusst mit ihren Gestaltungen.

„Fluide Bildwelten“, der Titel von Mayers Collagen macht deutlich, dass die vielen Fundstücke die er miteinander verbindet, Momentaufnahmen seiner Erinnerungen sind. Zu jedem „Teilchen“ erzählt er Geschichten, Feldpostbriefe fand er in einem gekauften Haus, Portland-Zementsäcke brachte er aus Marokko mit. Das klingt spannend, aber man muss es nicht wissen, um sich von den riesigen Werken berühren zu lassen, die einen in seiner Schau zunächst begegnen. Man kann zwar versuchen Mayers Geschichten zu entschlüsseln, doch seine Arbeiten sind keine Ratespiele. Es sind ästhetische Kompositionen, die etwas in uns zum Schwingen bringen. 

Korsigs „Gedankenströme“, so der Titel seiner Installationen und Objekte, liegen komplexe neurologische Phänomene zugrunde – aber auch die muss man nicht nachvollziehen, um die einzelnen Arbeiten auf sich wirken zu lassen.

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Gemalte Kunst auf Ansichtskarten…

Im Rahmen der drei Winterausstellungen der Kunststation zeigt Roland Stratmann seine Schau „WeltLäufig“. Zwei Arbeiten des Künstlers, die sich wie viele seiner Werke mit Reisen beschäftigen, gehören scheinbar zusammen.

Auf einem Bild schauen offensichtlich schwarze Jugendliche auf langen Stelzen den Betrachter von oben herab grimmig oder herausfordernd an. Unter ihnen verkünden zwei Schriftzüge: „I have never Seen such a Thing before / they don’t even have normal sidewalks.“ „So etwas habe ich noch nie gesehen, die haben nicht mal normale Bürgersteige.“ Den Hintergrund, gleichsam die Leinwand des riesigen Tableaus mit mehr als zwei mal drei Metern, bilden die in diversen Sprachen beschriebenen Rückseiten von 400 Ansichtskarten aus aller Welt. Von einer dieser einst verschickten Karten stammt die arrogante Nachricht über die fehlenden Bürgersteige. Roland Stratmann hat bei aller Komplexität seiner Objekte auch viel grotesken Humor, denn seine Konfrontation des Touristenspruchs mit der Tuschzeichnung der Kids auf Stelzen könnte meinen: wozu brauchen die denn Bürgersteige?

Auf dem Boden davor sind viele Seiten eines alten Diercke-Atlas auf einer Platte von zwei mal drei Metern ausgebreitet, darauf verteilen sich elf verschiedene Drahtfiguren. Sie beschreiten als Urlauber die Länder oder eroberten sie früher kolonialistisch und warfen ihre Schatten. Als Betrachter sieht und bringt man beide Werke zusammen, obwohl sie aus unterschiedlichen Schaffensphasen des Künstlers stammen.

Ohne dass man etwas über dieses Arrangement weiß, fasziniert es durch seine reine Anmutung. Darüberhinaus fordern beide Tableaus zur eigenen Bewegung heraus: Um das Bodenbild „WeltAtlas“ muss man herumgehen und sich bücken, an das Wandbild „I have never seen“ muss man näher herangehen, um die Postkarten erkennen oder lesen zu können. Das Bild besteht – wie die meisten Werke des Künstlers – aus verschiedenen Schichten: den handgeschriebenen Karten, einem daraus meist destillierten Spruch und den dominierenden Tuschzeichnungen (wir berichteten). In diesem „Dreischicht-Verfahren“ (Trescher) entstehen leicht reliefartige Objekte.

Die aus Datenkabeln gefertigten und dadurch symbolisch miteinander vernetzten Figuren nehmen Länder ein, hinterlassen Ökologische Fußabdrücke, werfen düstere Schatten auf Teile der Welt. Aber sind es ihre realen Silhouetten, vielleicht sind es nur die schattigen Klischees der Wesen, exotische Fantasien, die sie von den betretenen Ländern haben? Ähnliches gilt für das Stelzenlaufen der Kids, das einst in einer afrikanischen Kultur Teil eines Initiationsritus war –  heute aber bewusst als „Folklore“ für Touristen inszeniert wird. Zeigen die Gesichter der Kids postkoloniale Empörung oder sind es Fratzen für sich fürchten wollende Reisende?

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Warme Farben gegen das Grau und die Kälte

Zum Beginn der Winterausstellung ist die Kunststation in der Rhön nicht romantisch eingeschneit, ihre Umgebung ist grau in grau, nass und kalt. Wie gut tut es, in die Schau „Farblust – grenzenlos“ von Stefanie Brehm einzutauchen, zwischen ihren fröhlichen vielfarbigen Objekten aus Keramik oder Kunststoff gute Laune zu bekommen. 

Die Künstlerin hatte einst Keramikerin, also Töpferin gelernt, was man ihren kleineren, wunderbar glasierten Arbeiten in der Ausstellung auch ansieht. Es sind aber keine Gefäße zum Gebrauch obwohl sie wie Dosen wirken, sondern winzige Skulpturen oder wie die Töpfer sagen: Zierstücke. Jedoch mit ihren lebensgroßen, aus Ton montierten, oben geschlossenen und polychrom glasierten Zylindern verlässt Brehm das Kunsthandwerk und kreiert autonome Skulpturen. Man kann um sie herumgehen ohne dass die Farbe aufhört: Das Farblust ist tatsächlich grenzenlos. Die Säulen „wollen umtanzt werden, angeregt von Verve und Beschwingtheit des Farbauftrags“, meint Kuratorin Dr. Elisabeth Heil. Ist bei den keramischen Arbeiten noch ein, im weitesten Sinn getöpferter Bildträger vorhanden, so löst sich die Künstlerin mit ihren Werken aus Kunststoff (Polyuretan), den sie in flüssigem Zustand gestaltet, scheinbar völlig von Trägern. Die ausgehärteten, ebenfalls kräftig eingefärbten Objekte, montiert sie direkt an den Wänden.

Roland Stratmann überrascht das Publikum in seiner Ausstellung „WeltLäufig“ zunächst mit einem riesigen, aus Klamotten gestalteten Nashorn, das sich selbst auf einem Abbild zu betrachten scheint. Diese Installation ist Teil eines komplexen ästhetischen Projektes, das der Künstler mit Jugendlichen verwirklichte. Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen, auch in fremden Kulturen, ist für ihn ebenso eine Notwendigkeit wie die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen. 

Sein Nashornbild, dem Rhinozeros Albrecht Dürers nachempfunden, ist typisch für viele weitere Arbeiten seiner Schau, in denen er Ansichtskarten als Bildträger nutzt. Diese postalischen Grüße mit Landschafts, Stadt- oder Kunstmotiven, versehen mit persönlichen Zeilen, wurden früher massenhaft verschickt. Der Künstler sucht und sammelt diese Karten, die er thematisch sortiert und zusammenstellt. Er befestigt die beschriebenen Seiten aneinander und nutzt sie als Untergrund, auf den er Zitate aus den Reisetexten schreibt und sie mit irritierenden Bildern versieht. Auf sein mit Zeichentusche gestaltetes Nashorn schreibt er: „Viele Grüße an alle die nach mir fragen.“ Denn das von Dürer auf einem Holzschnitt dargestellte Tier versank mit dem Transportschiff, er musste es im Jahr 1515 aus Erzählungen gestalten. Stratmanns vieldeutige Arbeiten transformieren seine Fundstücke in eigenständige Kunstwerke, die uns auf Reisen in seine eigenartigen Bildwelten mitnehmen.

Reisen dürfen auch Kunstschaffende aus dem Görlitzer oder Fuldaer Raum auf der Via Regia in die jeweilige Partnerstadt, wenn sie für ein monatliches Arbeits-Stipendium vorgeschlagen werden.

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Neue Objekte im Skulpturengarten der Kunststation

Gerade in den Zeiten, als die Ausstellungshallen in Kleinsassen geschlossen oder nur eingeschränkt besuchbar waren, bekam der Skulpturengarten um die Kunststation herum wieder mehr Aufmerksamkeit. In der letzten Zeit sind auf dem ständig zugänglichen Anwesen weitere künstlerische Objekte aufgestellt oder montiert worden. 

Im großen Baum vor der Ausstellungshalle schwankt oder dreht sich ein großes Spiegelobjekt im Wind und bildet, manchmal wie ein schneller Film, im Wechsel Äste mit Blättern, den nahen Kirchturm oder den Himmel ab. Das Kunstwerk „Lichteinfall“ ist eine Dauerleihgabe des Schlüchterner Künstlers und Architekten Gerwin von Monkiewitsch. Seit einigen Jahren kreiert er die spiegelnden Blechplastiken, die einerseits als Fremdkörper in der Landschaft stören, andererseits aber die Anmutung der Natur durch ihre Wiedergabe verstärken.

In einem zweiwöchigen Symposium im September vor der Station, schufen die Bildhauer Lothar Nickel und Johannes Klüber, aus einem tonnenschweren Marmorblock bzw. einem riesigen Holzstamm, neue Objekte für die Anlage. Zum ersten Mal kreuzten sich die Wege der Künstler, obwohl beide schon lange in der Region leben und arbeiten. Trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsweisen entdeckten sie viele Gemeinsamkeiten. Beide waren vor allem mit der Frage beschäftigt, „was macht die Form mit dem Raum?“ Die Natur nimmt die Größe der Kunstwerke problemlos auf, aber im Skulpturengarten entstehen zwischen den vorhandenen Plastiken sofort Beziehungen – die es zu beachten gilt. Bei gutem Wetter stieß Ihre öffentliche Arbeit auf reges Publikumsinteresse, viele Leute haben nur zugesehen, mit anderen gab es aber auch intensive Gespräche. 

Mittlerweile sind beide Objekte auf dem Gelände aufgestellt: Klübers eher reduzierte und konzeptionelle Holzsäule mit spannungsreichen lichtdurchlässigen Einschnitten und den eingekerbten Worten „Baum Art / Stamm Art / Stand Art / Eiche“. Nickel schuf eine figurative Plastik, das weiße „Himalalama“, das er schon einmal wesentlich größer im italienischen Carara unterhalb der Marmorbrüche herstellte. Mit ihrer Werkschau sind die beiden Künstler auch in der laufenden Herbst- Ausstellung der Station präsent (wir berichteten). 

Bereits im Sommer fertigte Hama Lohrmann mit Rhönsteinen sein „Kosmisches Wurmloch“. Das Land-Art-Projekt war von der Kunststation eigentlich für den – ausgefallenen – Hessentag in Fulda geplant und schmückt nun den Skulpturenpark. Weichen musste dafür die einnehmende Stahlplastik Matti Kujasalos, die demnächst auf dem nahen Hügel oberhalb des Kunsthauses einen neuen Platz finden wird.

Info:
Flyer zum Herunterladen auf der Webseite www.kunststation-kleinsassen.de

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„Grenzgänge“ im Kunstverein Fulda

Marlies Pufahl, Gerlinde Kielburger und Wolf Bach stellen ihre Arbeiten zum Thema „Grenzgang“ aus. Die Kunstschaffenden präsentieren eine spannende kontrastreiche Ausstellung, die „zwischen Realität und Fiktion“ changiert, so der Untertitel.

In den Galerieräumen beeindrucken den Besucher gleich auf den ersten Blick die lebensgroßen roten Skulpturen Pufahls. Es sind weiblich wirkende Figuren, die von ihr aus groben, unterschiedlich geformten Keramikplatten zusammengesetzt und schwarz verfugt wurden. Diese Wesen selbst sind erkennbare und doch unbestimmte, zerbrechliche und zugleich kraftvolle Grenzgängerinnen – sie vereinigen in sich diese Gegensätze. Zu ihnen gesellt sich eine reduzierte, gerade noch menschlich wirkende grau-weiße Gestalt. Sie sieht wie ein aus Steinen geschichtetes Objekt aus, das zu zwei Bildern Bachs hinter ihr zu gehören scheint. Darauf sind von ihm getürmte graue Findlinge mit menschlichen Zügen dargestellt, welche er mit „Die Schöne und das Tier“ betitelt (Foto unten).

Als nächstes Objekt irritiert ein Gemälde des Künstlers, das von weitem wie eine mit Felsen umsäumte Meerlandschaft aussieht. Doch in deren Mitte bewegt sich etwas brausend Blau-Weißes. Erst beim Näherkommen erkennt man einen, in das Werk collagierten digitalen Schirm der fließendes Wasser zeigt. Fasziniert geht man vor und zurück, um den Moment des Erkennens zu wiederholen. Auch die weiteren Arbeiten des Künstlers sind Grenzgänge zwischen Abbildern und Collagen, in denen er Malereien rauer Landschaften mit Alltagsmaterialien wie Karton, Sand, Holzstückchen oder Wachs verbindet.

Im Kaminsalon staunt man über die rot glühenden Gemälde Gerlinde Kielburgers, die den Betrachter als bedrohliche Wiedergabe der Vulkanausbrüche auf La Palma anmuten. Berge sollen es sein die sie ausstellt, doch die Bilder drücken eigentlich bewusst ihre Gefühle aus. Neben den Gebirgsmassiven könnten auch rasende Fluten oder heftige Stürme die Künstlerin bewegt haben. Ihre Emotionen, etwa Erhabenheit oder Überwältigung, lassen sich beim Betrachten nachempfinden, weil sie die farbkräftigen Gestaltungen oft auf reine Kraft, Bewegung und Dynamik reduziert. Neuerdings experimentiert sie mit Materialien wie Asche, Kaffee oder Eisenspänen, die sie den Acrylfarben untermischt. Dadurch werden die Oberflächen ihrer Arbeiten leicht reliefartig, was die expressive Anmutung noch verstärkt.

Auch Bach hat eine Serie kleinerer Collagen geschaffen, die im weitesten Sinn Landschaften darstellen. Kritisch setzt er sich in den, manchmal abstrahierten Materialcollagen, mit Monokulturen und anderen Umweltsünden auseinander. „Meine Urlaubsbilder“, meint er spöttisch zu den Grenzgängen zwischen Mahnung und Ästhetik. Neben dieser Serie oder den Gebirgen Kielburgers findet man in der Galerie auch kleinere weibliche Figuren Pufahls. Sie sind ebenfalls grob montiert –

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Eine Zusammenarbeit von Künstler & Natur

Jens Rausch (45) ist einer der drei Künstler, der seine neuen Arbeiten in der Herbstausstellung der Kunststation in Kleinsassen (Rhön), unter dem eigenen Titel „Echo 2“ präsentiert. Er ist in Fulda aufgewachsen, hat hier studiert und lebt jetzt in Hamburg.  

Bereits im letzten Jahr entsandte ihn die Kunststation – im Rahmen des Via-Regia-Künstleraustausches – ins Schloss Königstein bei Görlitz. Bei der Führung durch die aktuelle Ausstellung deutet Kuratorin Dr. Elisabeth Heil auf die Kreationen „Entkernung“ und „Feldstudie“. „Das sind ältere Arbeiten“, meint sie lächelnd, „doch die sind gerade mal drei Jahre alt.“ Der experimentierfreudige Künstler entwickelte sich rasant weiter und schuf in kurzer Zeit ein gewaltiges Oeuvre. Seine früheren Werke, etwa die Sonnenblumenfelder, wirken beim flüchtigen Hinschauen wie Abbilder. Doch Rausch strebt keine Wiedergabe der Natur an, kreierte noch nie gefällige Landschaften. 

Nun weisen die Oberflächen der Materialbilder häufiger zentimeterdicke Krusten und Belage auf. Immer stärker nutzt er dazu natürliche Substanzen wie Bitumen, Ruß, Asche, Metalloxyde, Kalk oder Steinmehle, die er mit Öl bindet und auf die Leinwände pinselt, schüttet oder fließen lässt. Doch mit diesen Mitteln malt er nicht anstelle von Farbpigmenten, nur gelegentlich nutzt er schwarze oder weiße Farbe „zum Nachschärfen.“ Zufälle und Veränderungen der Stoffe beim Auftragen bestimmen die Tableaus. Reines Eisen oder Kupfer oxidiert und ändert mit der Zeit die Farbe, Bitumen wandelt seinen Zustand. Rausch kann stets nur ahnen und wird immer wieder überrascht, wie sich die Objekte selber (mit-) gestalten. „Ich berge sie aus dem Material“, meint er bescheiden.

Jedoch allemal greift der Künstler ständig ein – kratzt, schabt, verwischt die Oberflächen, nutzt den Schneidbrenner, um Stellen oder Löcher abzusengen oder reißt tiefere Schichten wieder auf. Dann schimmern in neueren Werken auch Zeilen aus Telefonbüchern durch die Risse. Rausch metamorphosiert seine Materialien in natürlichen Prozessen. Kuratorin Heil erklärt, so mache er die Natur zum großen Thema seiner Kunst und bringe dadurch ein tiefes Naturerleben zur Anschauung.

Zwei neue Arbeiten, die jeweils neben einem Fenster hängen, sollen etwas näher betrachtet werden. Das Format der hohen schmalen Fenster entspricht der schlanken Bilderform. Von außen milde hereindringendes Licht verweist auf die Natur und erhellt die wie Baumstämme wirkenden Objekte. Aus dem Tableau „Entwurzelung“ hängt sogar eine echte Wurzel heraus. Im Bildnis „Einblick“ schimmern Adressfragmente eines Telefonbuchs vage durch die aufgerissene Masse. 

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Entführung in seltsame Welten

Zum 25-jährigen Jubiläum der Galerie Liebau präsentiert der international erfolgreiche Künstler Michael Jastram Bronzeskulpturen und Zeichnungen. Nicht zum ersten Mal ist der Bildhauer hier mit einer Ausstellung zu Gast.

Die Skulpturen entführen die Betrachter in merkwürdige Welten: Eine männliche Figur hockt einsam auf der Spitze eines langgezogenen, schiffsartigen Gebildes („The River“). Über eine Mauer mit Rädern reiten drei Männer auf Pferden den „Schmalen Pfad“. Einer sitzt als „Easy Rider“ auf dem Rand eines maschinenartigen Hauses mit zwei Rädern. Oft halten die Menschen Balancierstangen, wohl um an diesen seltsamen Orten nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. 

Drei listig wirkende Frauen halten den Leib eines Mannes in einer sargartigen Kiste auf Rädern gefangen, nur der Kopf schaut hinten heraus; sie stehen auf dem Gefährt. „Urteil des Paris“ heißt diese Arbeit. Offenbar hatte der Eingesperrte keine Chance, eine der Frauen – Aphrodite, Athene oder Hera – auszuwählen, wie in der griechischen Mythologie vorgesehen. Jastram kann also auch humorvoll sein, das Oeuvre ist sowieso frei von Pathos.

Die architektonischen Gebilde sind nicht kunsthandwerklich ausgearbeitet, sondern rustikal geformt und zusammenfügt, weisen kräftige Arbeitsspuren auf. Oft verbinden steile, holperige Treppen diverse Bildteile. Grob geformt sind die Figuren, zeigen Haltungen, aber keine individuellen Züge. Oft besteht eine starke Spannung zwischen diesen singulären Wesen und den Räumen, in denen sie sich zurückzogen oder ausgesetzt wurden. Die rauen Oberflächen haben Patina angesetzt, gelegentlich schimmert die Bronze durch, aus der alle Stücke aufwendig im Wachsschmelzverfahren gegossen wurden. Behutsam sind einige Werke etwas vergoldet.

In der blendend weißen Galerie sind die Plastiken streng und zentralperspektivisch angeordnet, doch es lohnt sich näher zu treten und sie aus anderen Blickwinkeln zu sehen. Die Objekte sind nicht besonders groß, bilden nichts realistisch ab, deuten ihre Motive und Themen lediglich an – und sind doch von enormer Kraft und ziehen einen in ihren Bann. 

Mal wirken die Menschen verloren oder einsam, mal agieren sie listig in Gruppen wie die Weiber auf dem „Paris“ oder als unterschiedlich mutige Kerle auf drei Pferden. Trotz ihrer Verschiedenheit sind die Skulpturen alle leicht verrätselt und dadurch irritierend. Sie wirken wie eingefrorene Träume, in denen Fundstücke unterschiedlicher Provenienzen und Epochen miteinander verbunden oder aufeinander getürmt wurden. Man wird in andere Welten versetzt, nicht unbedingt in die Antike und schon gar nicht an wiedererkennbare Orte. Es sind durch Form und Farbe archetypisch wirkende Gebilde, die dennoch bis in die Gegenwart reichen. Ein verwirrendes Gefühl der Fremdheit stellt sich ein, das wohl Jastrams Gestalten, diese Reisenden in der Zeit, ebenfalls erleben. 

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„Schaufensterausstellung NeustART – CityART“

Zu einem außergewöhnlichen Schaufensterbummel lud die Vorsitzende des Fuldaer Kunstvereins die Presse ein: In Fenstern von 47 Geschäften der Fuldaer Innenstadt organisierte Anna Härtel-Geise Ausstellungen für die Kunstschaffenden ihres Vereins.

Zwischen den Flaschen einer Weinhandlung tummelt sich ein fettes „Gürteltier“ aus Ton mit echten Ledergurten Foto oben). In einem Blumenladen steckt das Bildnis eines „Zitronenhais“ zwischen weißen Blüten. Auf Tafeln hinter den Brillen eines Optikers beglotzen zahlreiche Augen die Kunden. Manchmal schafft die Kunst in vielen Auslagenfenstern starke Kontraste, oft schmiegt sie sich eng an die jeweiligen Waren: Da hängen etwa zarte Frauenbilder zwischen edlen, scheinbar eigenen Kleidern der Porträtierten.

Die Organisatorin kontaktierte viele Geschäfte und Werkstätten per Mail, in anderen fragte sie persönlich nach: „Mit gut 300 Fotos von künstlerischen Objekten in meinem Notebook bin ich herumgegangen und habe den Leuten Vorschläge gemacht.“ Im Vorbeigehen meint Härtel-Geise, „für den Laden hätte ich auch noch was Passendes gehabt, ich wusste sogar was dort hängen könnte, aber die antworteten nicht auf meine Mail.“ Dafür schlug sie einem Juwelier kleine filigrane Holzskulpturen zum Ausstellen vor. Oder besorgte einem Friseur mit Birkenstämmen im Schaufenster ein riesiges Gemälde mit Birken. Sie selbst fertigte eigens für eine Konditorei kleine Pralinen aus Stoff: „Textiles Hüftgold.“

Die Vielfalt der hinter den Scheiben präsentierten Arbeiten ist riesig, manche Werke sind eher traditionell gemalt oder modelliert, manche sind krasse Herausforderungen oder interessante Provokationen, wie die rostigen Eisenskulpturen zwischen eleganten zarten Frauengewändern.  Auch der Humor fehlt nicht auf dem Parcours, in einer Confiserie werden skurrile Hühner und andere Keramikfiguren gezeigt.

Obwohl die Fensterschau erst Mitte August begann, haben einige Kunstschaffende bereits Arbeiten verkauft. Viele angesprochene Ladenbesitzer äußerten sich während des Rundgangs positiv über die Kooperation zwischen Kunst und Gewerbe. Eine Künstlerin bekam den Auftrag ein Label für einen neuen Balsamicoessig zu entwerfen, einer anderen wurde die Wandgestaltung im Inneren eines Geschäfts angeboten, die dritte kann demnächst eine Schau im gesamten Laden präsentieren.

Das Projekt ist ein exemplarischer ästhetischer Beitrag gegen die Verödung der Innenstädte und erhöht deren Attraktivität. Mit mehr als 130 Objekten erkundet es neue Ausstellungsorte für 34, von Corona geplagte Künstlerinnen und Künstler.

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