Wie kamen die Olchis in ihre Heimat Schmuddelfing?

Filmstart am 22. Juli
Vor drei Jahrzehnten begannen kleine eigenartige grüne Wesen, die Olchis, deutsche Kinderzimmer zu erobern. Die in mittlerweile 35 Bilderbüchern dargestellten Wesen essen gerne Müll, trinken Altöl, waschen sich nie und riechen streng. Kinder lieben diese Olchis, weil sie all das machen, was sie selbst nicht dürfen oder sich nicht trauen.

Trotz der Beliebtheit der Grünlinge sind ihre Abenteuer erstaunlicherweise erst jetzt verfilmt worden. Der Film berichtet von der übelriechenden Stadt Schmuddelfing, in der die Olchis heute wohnen. Ein letzter Müllmann hat gekündigt und nun sind der Gestank und die Abfallberge in der Stadt so gewaltig geworden, dass kein Tourist mehr hierher reisen mag. Doch dafür kommt eines Tages die Olchifamilie auf ihrem Drachen „Feuerstuhl“ an und glaubt sie sei im Paradies: „Der Platz ist oberolchig“, schwärmen alle.

Gleichzeitig versucht Max, der Sohn der Bürgermeisterin, mit seiner Freundin Lotta und einem verrückten Professor, einen Stinkomat gegen den Gestank zu entwickeln. Doch unverdrossen halten die Bürgermeisterin und ein geldgieriger Baulöwe an dem Projekt fest, auf dem Müllplatz einen Wellness-Tempel zu bauen. Aber dazu müssen die kleinen Grünen vertrieben werden.

„Niemand mag uns, wir riechen schlecht und sehen grün aus“, klagen die bekümmerten Olchikinder und wollen Abschied von ihren Menschenfreunden nehmen. Doch Max und Lotta lassen deren Vertreibung nicht zu und kämpfen für ihr Bleiberecht: „Schließlich sind sie doch die besten Recycler der Welt.“ 

Dieser klassische  Animationsfilm im Disney-Stil erweckt die Olchis zum Leben. Sie agieren so, als kämen sie direkt aus den Bilderbüchern und sind dabei keine süßlichen Kitschwesen. Auch die menschlichen Figuren sind animiert, dennoch wirkt der gesamte Film real und glaubhaft. Die „Bösen“, wie der Baulöwe und seine Arbeiter oder die Bürgermeisterin, sind nicht besonders bedrohlich, sondern werden durch Komik und Slapsticks gleichsam entschärft. Auch die abscheulichen Speisen der Olchis rufen keinen Ekel hervor, weil sie so genießerisch weggeschlabbert werden. Aus Versehen trinkt die Bürgermeisterin einen Zaubersaft statt ihr Beruhigungsmittel und wird nun eine Zeitlang grün und olchig. Hinterher kann sie die Welt mit den Augen der grünen Wesen sehen und sie verstehen.

Mit großer Leichtigkeit und ohne erhobenem Zeigefinger, spricht der Film viele verschiedene Themen an: Vertrieben werden oder bleiben dürfen, verlorene Heimat, Recycling oder sich in andere einfühlen. Vor allem aber ist es ein Streifen über Freundschaft und das miteinander Klarkommen, selbst wenn man sehr unterschiedlich ist. 

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Zur Literaturverfilmung „Die Deutschstunde“

Ein halbes Jahr nach dem Kinostart kommen – wie zum Schutz der Kinos gesetzlich festgelegt – auch erst die DVD und der Download des Films „Deutschstunde“ in den Handel. Der Film orientiert sich am gleichnamigen Bestseller von Sigfried Lenz aus dem Jahr 1968.

Das langsam erzählte Filmdrama beginnt mit den Erinnerungen Siggis (Tom Gronau) im Jugendarrest, nachdem er sich – scheinbar – weigert, den Schulaufsatz „Die Freuden der Pflicht“ zu schreiben. Zum Maßregeln wird er in eine Zelle gesperrt, dort schreibt er ein Heft nach dem anderen mit Erinnerungen an den Maler Max Nansen (Tobias Moretti) und seinen autoritären Vater Jens Jepsen (Ulrich Noethen) voll, der immer nur seine Pflicht erfüllte: In dem abgelegenen Landstrich am Meer setzt der Polizist ein Berufsverbot gegen den „entarteten Künstler“ durch, obwohl der ihm einst das Leben rettete. Siggi wird hin- und hergerissen, den Maler im Auftrag seines Vaters zu bespitzeln und ihn gleichzeitig zu schützen, denn er will von beiden geliebt werden.

Als Siggis Vater aus der Haft der englischen Besatzungstruppe entlassen wird, macht er genau da weiter, wo er am Ende der Naziherrschaft aufhören musste: Er verbrennt Gemälde seines früheren Malerfreundes Nansen. „Man muss seine Pflicht erfüllen, auch wenn sich die Zeiten ändern“, brüllt er und schlägt brutal seinen groß gewordenen Sohn Siggi nieder, der sich ihm in den Weg stellt. Der klaut daraufhin Gemälde Nansens um sie zu verstecken und landet im Heim.

Die spannenden Erzählungen Siggis werden im Film zu dramatischen Rückblenden. Im Unterschied zum Roman ist das cineastische Werk stark gekürzt und verdichtet, bewahrt aber dennoch den Geist der Vorlage. Während der Vater im Buch emotional zu schwanken scheint, setzt er sich im Film vehementer gegen die eigene Familie und den Künstler durch. Auch weitere Figuren, wie Siggis Schwester oder die Mutter, werden vom Regisseur Christian Schwochow anders gewichtet. Der verfilmte vor Jahren bereits Uwe Tellkamps „Der Turm“ und stellte – zur Freude des überzeugten Autors – bereits literarische Gestalten verändert dar.

Zum Kinostart bemängelten Kritiker, der Spielfilm sei unpolitisch und erkläre nicht den Faschismus. Auch der Maler, hinter dem sich angeblich Emil Nolde verberge, sei verklärt und nicht als Anhänger der Nazis angeprangert worden. Weiterlesen

„Transit“  – ein kleiner Vergleich des Films mit dem Roman

„Transit“ – der neue Film von Christian Petzold folgt sehr frei dem gleichnamigen Roman Anna Seghers. Ihre spannenden, selbst erfahrenen Flüchtlingsgeschichten aus den 1940er-Jahren hat er in die Gegenwart verlegt.

„Damals hatten alle nur einen einzigen Wunsch: abfahren. Alle hatten nur eine einzige Furcht: zurückbleiben.“

So beschreibt die Autorin die Situation der vielen Flüchtlinge in Marseille, die den Nazis entkommen konnten und dort im unsicheren Transit lebten. Seghers nennt sie „Abreisebesessene“, deren „Strom anschwoll“ und die den Ich-Erzähler mit „düsterem Transitgeschwätz“ ansteckten: „Ich fürchtete mich, ich könnte in diesen Strom hineingeraten…“

Im Film flüchtet Georg gemeinsam mit einem schwerverletzten Freund im Güterzug aus Paris, das von deutschen Truppen besetzt wird. Sein verwundeter Begleiter stirbt, der Zug wird von der Wehrmacht durchsucht, doch der aus einem Lager entflohene Georg (Franz Rogowski) kann entkommen. Er schlägt sich nach Marseille durch und entgeht dort mehrmals seiner Festnahme durch die französische Polizei. Ständig finden Razzien statt, Flüchtlinge werden verhaftet: Sie dürfen groteskerweise nur bleiben, wenn sie mit einem Visa und anderen Papieren nachweisen können, dass sie nicht bleiben wollen.

Als Georg in der mexikanischen Botschaft Briefe des in Paris gestorbenen, von den Deutschen verfolgten Schriftstellers Weidel abgeben will, wird er für eben diesen Mann gehalten. Problemlos erhält er zur Ausreise nach Mexiko die notwendigen Papiere und Tickets, nach denen sich in Marseille alle Gestrandeten sehnen. Doch Georg lässt sich dagegen gleichgültig in der Hafenstadt treiben und gibt sich, erst nach langem Zögern, als Weidel aus. Immer wieder fasziniert ihn die schöne Maria (Paula Beer), die verzweifelt jemanden zu suchen scheint. Er verliebt sich in sie, ohne zu ahnen, dass sie die Frau des Schriftstellers ist, dessen Identität er angenommen hat… Weiterlesen

„Der andere Liebhaber“

Im Psychothriller „Der andere Liebhaber“ fühlt sich eine junge Frau zwischen einem sanften Frauenversteher und einem zynischen Unhold hin- und hergerissen.

Seit Chloé denken kann, hat sie Bauchschmerzen ohne organische Ursachen, doch eines Tages beginnt sie endlich eine Psychotherapie. Beim ersten Treffen erzählt sie dem sensiblen Therapeuten Paul, sie fühle sich fürchterlich leer, weil ihr irgendetwas fehle. Bereits nach wenigen Sitzungen scheint Chloé (Marina Vacth) geheilt, weil Paul (Jérémie Renier) sie so gut versteht. Beide verlieben sich ineinander, brechen die therapeutische Beziehung ab und ziehen zusammen. Doch die heilsame Idylle wird bald von Misstrauen und Eifersucht zersetzt.

Chloé meint, ihren Geliebten in der Stadt gesehen zu haben, der bestreitet jedoch, dort gewesen zu sein. Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf Louis (ebenfalls Jérémie Renier), den von Paul verleugneten Zwillingsbruder, der auch Therapeut ist. Um die mysteriöse Familiengeschichte zu enträtseln, geht sie zu ihm in Behandlung. Der aggressive Chauvinist Louis ist völlig anders als sein sanfter Bruder, dennoch fühlt sich Chloé heftig erotisch von ihm angezogen. Als er sie in der dritten Sitzung anherrscht, „zieh dich aus!“, gibt sie sich ihm hin – und besucht ihn danach immer wieder.

Nun beginnt, zunächst noch unmerklich für alle Beteiligten der Ménage-à-trois, ein Albtraum, in dem die sowieso recht brüchige Realität und der mögliche Wahnsinn langsam verschmelzen. Auch wir Zuschauer werden in diesen Nachtmahr hineingezogen, in ständiger Spannung gehalten und von immer neuen Wendungen verblüfft: Welche dunklen Abgründe offenbart Paul? Ist Chloé eigentlich verrückt? Wird sie einen der Zwillinge umbringen? Aber welcher Zwilling ist wer?

Bereits der Beginn dieser Geschichte wird mit eindringlichen Nahaufnahmen und seltsamen Spiegelungen in unwirklichen düsteren Bildern erzählt… Weiterlesen

„Berlin Syndrom“ – ein düsterer Hauptstadtfilm

Der Autor dieser Filmkritik hat ein Wochenende in der Nähe der Berliner U-Bahn-Station Kottbusser Tor („Kotti“) in einer Fortbildung verbracht. Obwohl das, stark sanierte Kreuzberg in der Nähe beginnt, gilt die Gegend immer noch als gefährlich. Durch die massiven Polizeieinsätze in der letzten Zeit sind aber die Raubüberfälle und Körperverletzungen zurückgegangen, berichtete die Berliner Zeitung.

Freitagabend bahnt sich der Filmkritiker seinen Weg durch aggressive jugendliche Drogendealer am U-Bahn-Ausgang. Samstagfrüh watet er unten in der U-Bahn durch Erbrochenes und frische Blutlachen, mittags sitzt er direkt auf dem Platz beim Vietnamesen, blinzelt in die Frühlingssonne. Auf einem ehemaligen Telefonhäuschen hockt ein attraktiver Mann und trinkt Bier, irgendwo schläft ein anderer auf einem herumstehenden Sessel. Zwischen den vielen Türken, asomäßigen „Weißen“ und dealenden Jugendlichen drängen sich mit großen neugierigen Augen zahllose Backpackerinnen.

Im Film „Berlin Syndrom“ begegnet hier eine von ihnen, die junge australische Rucksackreisende Clare (Teresa Palmer), dem gepflegten deutschen Mann Andi (Max Riemelt). Von dem Englischlehrer lässt sie sich Kreuzberg zeigen und verbringt mit ihm eine wilde Liebesnacht in seiner nahe am Kotti gelegenen Wohnung. Morgens ist er bereits zur Arbeit verschwunden – und sie merkt, dass sie nicht aus seiner verschlossenen Wohnung herauskommt… Als Andi nach Hause zurückkehrt, empfindet sie ihren Einschluss noch als Versehen. Doch bald wird ihr klar, dass sie in dem ansonsten menschenleeren Kreuzberger Haus seine Gefangene ist und aufgrund seiner Sicherungsmaßnahmen keine Chance hat, zu entkommen. Weiterlesen

„Ein ganzes halbes Jahr“ – Die indiskutable Verfilmung des Bestsellers von Jojo Moyes

 

Jojo Moyes Buch „Ein ganzes halbes Jahr“ stand lange auf den internationalen Bestsellerlisten, jetzt startet bundesweit eine typisch US-amerikanische Verfilmung dieses Werks:

Lou (Emilia Clarke ) wohnt noch bei ihren Eltern in der Nähe Londons, lässt sich ziellos durchs Leben treiben und hat eine miese Beziehung mit dem sportbesessenen Patrick. Als sie ihre Arbeit im Café verliert, muss sie einen Pflegejob annehmen. „Ihm den Arsch abwischen?“, giftet sie empört, als das Job-Center sie zu dieser Beschäftigung zwingt. Völlig überraschend entpuppt sich Will (Sam Claflin), der erwartete senile Pflegefall, als ein reicher junger Mann, der vom Hals abwärts gelähmt ist.

Sie solle eher dessen Freundin als seine Pflegerin sein, erklärt Wills Mutter, aber der attraktive Mann bringt die junge Frau zur Verzweiflung. Er hat mit dem Leben abgeschlossen, geht zynisch und abweisend mit ihr um. Mit der Zeit nähern sich die beiden natürlich einander an, lachen viel und unternehmen Ausflüge. Auf der Hochzeitsfeier von Wills Ex- Freundin führen sie einen erotischen Rollstuhl-Tanz auf. Will mag Lous exzentrische Klamotten, ermuntert sie, sich mit Mode zu beschäftigen, konfrontiert sie mit ihr unbekannten Büchern und Filmen.

Eines Tages erfährt Lou, dass Will einen Deal mit seinen Eltern hat: Sollte er in einem halben Jahr keine Lebensfreude wieder finden, wollen ihn seine Eltern beim Freitod unterstützen. Lou will empört kündigen – entscheidet sich dann jedoch, Wills Lebenslust zu wecken. Sie entwirft „Projekte“, die aber meist scheitern wie ein Besuch beim Pferderennen. Irgendwann verbringen die beiden wunderbare Wochen auf Mauritius und ihnen wird klar, was der eifersüchtige Patrick und die Zuschauer längst wissen: sie lieben sich. Ob das überhaupt gehen kann und Will sich weiterhin umbringen will, wird hier nicht verraten.

Im Kino werden die wichtigsten Ereignisse des Romans erzählt, aber deutlich wird nicht, wie Will sich gegen die Überfürsorge seiner Mutter wehrt, welche Schmerzen er aushalten muss, wie verzweifelt der im Film ewig lächelnde Mann oft ist und wie sich das ungleiche Paar wechselseitig beeinflusst. Weiterlesen