Peinlich berührt verdammt die Filmkritik unisono Roman Polanskis letzten Film, seine groteske Burleske „The Palace“ (2023), die nun auch hier in die Kinos kommt. Dabei wird von einigen Kritikastern „Altherrenhumor“ als neues cineastisches K.-o.-Kriterium eingeführt. Wir wissen zwar nicht, was bei TicToc und Instagram als jugendfrischer oder feministischer Humor daherkommt. Aber so schlimm ist diese Komödie wirklich nicht, denn unverfroren haut der neunzigjährige Regisseur der älteren Hautevolee im Film, lustvoll deren Dekadenz und Protzerei um die Ohren.
In der Millennium-Silvesternacht 2000 versammeln sich Superreiche, Pornostars, zwielichtige Russen und anderes aufgeblasenes Volk im schweizerischen Nobelhotel Palace. „12 Stunden bleiben uns“, verkündet morgens der Hotelchef (Oliver Masucci) seinem Personal und wird fortan selbst durch den Film gejagt, um zahlreiche Schwierigkeiten mit absonderlichen Gästen zu lösen. Etwa einen, als Geschenk angelieferten Pinguin seiner Empfängerin anzuvertrauen.
Champagner fließt in Strömen, unaufhörlich wird Kaviar gereicht. Eine französische Diva (Fanny Ardant) füttert mit dem Fischrogen ihren Hund, der daraufhin das Bett vollkackt. Der nun hinzugezogene Schönheitschirurg, eigentlich mit seiner Geliebten inkognito im Hotel, muss jetzt den Hund und dessen Frauchen behandeln. Zahlreiche von ihm verschönerte Damen erkennen und umschwärmen ihn.
Überaus dominant ist Bill Crush (Mickey Rourke), er hat zwar vergessen zu reservieren, doch sein Kampf ums Zimmer, einen Restauranttisch oder Bewunderung zieht sich als Running Gag durch die Silvesternacht. Eine arme tschechische Familie taucht im Palace auf und behauptet mit ihm verwandt zu sein. Der vermutliche Vater flippt aus, doch der Hotelchef kümmert sich rührend um die Angereisten. Mit einem braven Bankangestellten (Milan Peschel) bereitet Crush einen internationalen Millenniumsbetrug vor, doch sein Helfer wird zunehmend betrunkener und von jungen russischen Damen verführt, die ihn „niedlich“ finden.
Die wiederum gehören zu einer obskuren Delegation von Halunken, die mehrere Geldkoffer im alten Hotel-Safe verstecken…
In einer Ansprache kurz vor Mitternacht wird Wladimir Putin überraschend Präsident (in echt!) und verkündet im TV alle Freiheiten dieser Welt. Was immer die angereisten zwielichtigen Gestalten eigentlich vorhatten – nun wird alles anders. Schließlich stirbt noch der mit Viagra vollgestopfte neunzigjährige Multimilliardär, während seine junge, dralle Ehefrau ihn reitet. Auch ihren Scheidenkrampf kann der diskret herbeigerufene Hotelchef lösen.
Am Ende des Films, kurz nach Mitternacht, fährt die Kamera langsam über ein gewaltiges Schlachtfeld von halbvollen Tellern, zerbrochenen Gläsern, verstreuten Slips, leeren Flaschen und Erbrochenem. Dazwischen kopuliert der kleine, wieder gesunde Hund den Pinguin.
Diese makabre Silvestercollage ist eher Hardstuff als peinlich und ganz bestimmt nicht Polanskis bester Film. Doch die Akteure sind großartig überzeichnet, die vielen Gags passen zu ihnen und schließlich passierte das ja alles vor 24 Jahren. Was nicht passt, ist die deutsche Synchronisation zur aufgedrehten amerikanischen Körpersprache. Doch wenn man weiß, was hier Unanständiges auf einen zukommt, wird man den Film nicht mit seinen großen Werken „Rosemaries Baby“ oder „Tanz der Vampire“ messen wollen. Sondern man kann sich im Kino einfach mal vergnügen, findet der ältere Herr (75), der diese Rezension schrieb.
„The Palace“ 2023, 100 Minuten, Filmstart 18. Januar 2024
Regie Roman Polanski mit Oliver Masucci, Fanny Ardant, Mickey Rourke, Milan Peschel u.a.