Das Private und die Frauenkunst… Weitere Streifzüge auf der 58. Biennale (2)

Zunächst einmal etwas Sinnliches über den isländischen Pavillon: Abseits von Gardini und Arsenale sind wir in eine langgezogene farbenfrohe Kuschelhöhle eingetaucht und haben uns zu psychedelischer Musik einfach nur wohlgefühlt.

Aber „Wohlgefühl“ reicht vielen Kritikern der Biennale natürlich nicht bei ihrer Kontrolle der Kunst, die nun auch noch von einer Frau produziert wurde…

„Von wegen politisch…“, fragten wir im ersten Text über unsere Rundgänge auf der 58. Biennale in Venedig. Wir wunderten uns über das seltsame Kunstverständnis, das häufig zunächst nach der politischen Bedeutung, nicht aber der Ästhetik und künstlerischen Qualität der diskutierten Arbeiten fragte. Dagegen überrascht uns, dass das Politische an scheinbar privaten Werken kaum wahrgenommen wird: kl Biennale 2-4.jpg

Eine junge Japanerin, die bunt bemalte Beinprothesen trägt, sitzt zum Interview im Pressezentrum. In der Ausstellung „May You Live in Interesting Times“ ist sie, Mari Katayama, zweimal mit inszenierten Fotografien vertreten. Entweder ist sie selbst als Performerin oder als Teil ihrer Artefakte zu sehen: sie tritt nicht hinter die Werke zurück.Ganz in der Tradition der Performance und Body-Art zelebriert sie auf radikal künstlerische Weise die Ästhetik des Andersseins: Ihre Diversität ist nicht länger private „Behinderung“ sondern politische – aber nicht plakative – Aussage über den Zustand und die Möglichkeiten unserer normierten Gesellschaft!

Weiterlesen

Von wegen politisch… Rundgänge auf der 58. Biennale (1)

Seit der Verleihung der Goldenen Löwen zur Eröffnung gilt die 58. Biennale als politisch. Wenn man sich dort eine Woche lang treiben lässt, erlebt man jedoch eher die Spannweite der zeitgenössischen Weltkunst: Man wird nicht politisch belehrt und hat auch nach sieben Tagen noch längst nicht alles gesehen.

Am Rand der Ausstellungshallen im Arsenale liegt auf einem Transporter ein aus dem Meer geborgenes Schiffswrack. Es fällt zum Beginn des Festivals kaum auf, denn in dem einstigen Militärgelände verrotten viele Boote, Kräne und andere Geräte. Angesichts riesiger Lecks im Rumpf spürt man jedoch ein Grauen – und fragt sich: „Ist das Kunst?“

Später wird bekannt, der Kahn sei ein Fundstück, das vom Schweizer Künstler Christoph Büchel zur Kunst erklärt wurde, ein gesunkenes Flüchtlingsschiff, in dem 2015 Hunderte von Menschen starben. Ein Jahr später engagierte sich der italienische Politiker Matteo Renzi für die Bergung des gesunkenen Schiffs, in dem sich noch Hunderte von Leichen befanden. Nun pöbelt die rechtskonservative Regierung Italiens gegen den angeblichen Missbrauch des Schiffes für politische Propaganda auf der Biennale.

Doch das Wrack ist zuallererst ein „Objet trouvé“, ein eigenständiges Kunstwerk, das für sich selbst spricht und keine Interpretationen benötigt, um Entsetzen und Nachdenklichkeit auszulösen. Man muss nichts über seine Geschichte wissen, um von diesem Objekt berührt zu werden. Der daneben stehende Kran suggeriert sogar noch vergebliche Hilfe, denn der Haken am Stahlseil erreicht nicht das Schiff.

Auch der Goldene Löwe für die Operninszenierung im Litauischen Pavillon muss für den Vorwurf des politischen Missbrauchs herhalten. Doch das Singspiel „Sun & Sea“ ist ein autonomes Gesamtkunstwerk aus Musik, Gesang, szenischem Theater und Environment. In dem abgelegenen, schwer zu findenden Gebäude innerhalb der militärischen Sperrzone ist ein Sandstrand aufgeschüttet. Von der Empore, also lediglich von oben (!), kann man das Strandgeschehen miterleben:

Weiterlesen

Die Kunststation Kleinsassen im „Rausch der Geschwindigkeit“

„Im Rausch der Geschwindigkeit“ – in der Kunststation begann die Herbst-Schau mit mehreren Ausstellungen, die alle um das Auto kreisen.

„Ein aufheulendes Auto ist schöner als die Nike von Samothrake“, verkündeten vor einem Jahrhundert futuristische Künstler und riefen die Religion der Geschwindigkeit aus. Es dauerte dann noch etliche Jahrzehnte, bis Wolf Vostell in den 1960er-Jahren – als „subversive Entlarvung des Tanzes ums goldene Kalb“ – Cadillacs im öffentlichen Raum als Sarkophage einbetonierte.

Aufregend und überraschend sind die Fahrzeuge Stefan Rohrers. Der Titel seiner Schau „Fast and Furious“, also schnell und wütend, ist sein Arbeitsprogramm: Einerseits sehen die verformten Motorroller so aus, als habe sie ein wütender bärenstarker Besitzer langgezogen und in die Lüfte geschleudert. Doch man kann ihre eigenartige Form auch so sehen, als seien Lenkrad und Vorderreifen bereits schneller als das zurückgebliebene Fahrgestell: Vielleicht ein sarkastisches Statement zum Futurismus? Oder die schnellen Maschinen entwinden sich ihrem Besitzer, schwingen sich auf und beginnen ein fröhliches Eigenleben…

Der Künstler schnitt die Roller jeweils auseinander, verlängerte sie mit Blechen und schraubte sie neu zusammen. Nach der schrillen hochglänzenden Lackierung entstanden so autonome neue Fahrzeuge. Die ebenso auf diese Weise von Rohrer umgestalteten Autos passten leider nicht durch die Tür der großen Kleinsassener Halle.

Die umfangreiche Fotoschau „Drive Drove Driven“ mit Arbeiten diverser Kunstschaffender umfasst in etwa die anfangs skizzierte Spannweite von affirmativer Autowerbung bis zur letzten Ruhestätte für Kraftfahrzeuge. Man kann hier unmöglich alle Arbeiten der 23 Beteiligten beschreiben, sondern lediglich beispielhaft einige nennen: Etwa die schwebenden Edelkarossen Beni Bischoffs auf Fotografien und in einem Video mit sanfter elektronischer Musik. Oder die aufgetürmten Schrottautos von James Hendrickson, die als Ensemble wie die geheimnisvolle prähistorische Kultstätte Stonehenge wirkt. Berührend sind auch Christian Rothmanns melancholische Fotografien von irgendwo abgestellten und vergessenen Fahrzeugen.

In der Ausstellung „weg und hin“ scheinen die Collagearbeiten direkt aus der Zeit Vostells zu stammen, der ja auch die Decollage erfand. Weiterlesen

Gegen weichgespülte Gegenwartskunst… „DAU Freiheit“ in Berlin

Nachdem erste Informationen zum Kunstprojekt „DAU Freiheit“ durchsickerten, überschlug sich bereits die Kritik in der Hauptstadt: Bald soll mitten in der Nacht  in Berlin für einige Wochen eine echte Mauer errichtet werden, um ein Ghetto auf dem Prachtboulevard „Unter den Linden“ nach außen abzugrenzen.

Auf der eilig einberufenen, sehr gut besuchten Pressekonferenz machten die Vertreter der diversen beteiligten Institutionen gestern deutlich, es ginge nicht um Mauerkitsch, stalinistisch-totalitäre Erlebniswelten oder die Verhöhnung der Opfer. So die Vorwürfe, die Filmemacher Tom Tykwer, Dr. Thomas Oberender, Leiter der Berliner Festspiele, Produzentin Susanne Marian und andere Beteiligte widerlegten. DAU sei vielmehr ein europaweites Projekt, das nacheinander die drei Errungenschaften der französischen Revolution künstlerisch in Szene setzen solle: „Freiheit“ in Berlin, „Brüderlichkeit“ in Paris und „Gleichheit“ in London. Gerade für die Berliner sei, angesichts der Mauer in ihrer Geschichte, Freiheit ein lange herbeigesehnter Zustand gewesen.

Seit zwei Jahren wird das Projekt vorbereitet und obwohl Hunderte von Leuten in zuständigen Ämtern und Institutionen sowie betroffene Anwohner einbezogen wurden, drang nichts nach außen. Dadurch konnte verhindert werden, dass das Vorhaben schon vor seiner Planung völlig zerredet und zerrissen wurde. Öffentliche Gelder sind nicht nötig, DAU wird von einer Londoner Stiftung finanziert.

Auf der Pressekonferenz war zu erfahren, die Besucher könnten intramural, in einem Schutzraum ohne Zerstreuung, eine andere, für sie neue Welt erleben: In dem abgegrenzten Areal wird es zahlreiche künstlerische Aktivitäten, Performances, wissenschaftliche Aktionen, Diskussionsgruppen und Einzelgespräche geben – sowie Filme des bekannten russischen Regisseurs Ilya Khrzhanovsky, der auch Initiator von DAU ist. Ein komplexes digitales Programm (Device) steuert alle Besucher durch ihre eigene Parallelwelt und macht ihnen individuelle – aber letztlich frei wählbare – Angebote zum Besuch in der temporären Kunststadt. Sie zahlen keinen Eintritt, sondern können vorher ein Visum käuflich erwerben.

Dau ist der Spitzname des sowjetischen Wissenschaftlers und Nobelpreisträgers Lev Landau (1908 – 1968), der zeitweilig in einer streng isolierten, geheimen Laboratoriums-Siedlung in der UDSSR arbeitete… Weiterlesen

„Myths – Upcycled“ – spannende Ausstellung & Vernissage in Kunststation

Wieder einmal präsentiert die Kunststation Kleinsassen eine spannende Ausstellung, die mit einer ungewöhnlichen Vernissage begann.

Die in der Schau „Myths – Upcycled“ vertretenden Kunstschaffenden nutzen auf unterschiedliche Weise Naturüberbleibsel und Zivilisationsmüll als Material für ihre Werke. Im Upcycling werden wertlose Abfälle nicht nur recycelt sondern zugleich aufgewertet.

„No reason to get excited“ (Kein Grund zur Aufregung). Zur Eröffnung singen Bernd Baldus, der Künstler aus der Nachbarschaft, sowie zwei an der Ausstellung Beteiligte aus einem Stück von Bob Dylan. Man meint, der Song kommentiert ironisch die hochaktuelle Diskussion über Plastikmüll.

Im großen Saal der Kunststation herrscht „geordnetes Chaos“, wie Leiterin Monika Ebertowski erklärt. Stühle, Staubsauger und andere Haushaltsgeräte Kleinsassener Bürger liegen herum. Aus dem Sperrmüll schafft die US-amerikanische Künstlerin Kitty Wales in der nächsten Zeit Skulpturen. Khalil Chishtee hat aus New York weiße Plastikbeutel mitgebracht, aus denen er lebensgroße Figuren kreiert. Gespenstisch hängt ein weißes Pärchen in der Halle, bald folgen weitere Gestalten. Bis zum 14. Juni arbeiten Wales und Chishtee an ihrem „Work in Progress.“

Zum Schluss schleppt Künstler Thomas Putze, dürftig mit weiß-rotem Absperrband bekleidet, einen Baumstamm in den Saal. Er rupft Zweige ab, stellt den Baum aufrecht und klettert akrobatisch daran hoch. Oben verschwindet er in schwindelnder Höhe durch ein Fenster. „Upcycled“ heißt seine kühne Aktion, die auf performative Weise den Ausstellungstitel umschreibt. Im folgenden Dialog der Kuratorin Dr. Elisabeth Heil mit den beteiligten Kunstschaffenden, werden deren unterschiedliche künstlerische Positionen zum Thema deutlich:

Der vielseitige Putze hat einen „Mischwald“ aufgebaut. Zwischen noch nadelnden großen Bäumen fügte er weiterbearbeitete Naturobjekte, Gemälde sowie Arbeiten aus Schrott und natürlichen Fundstücken zu einer Installation: Statt sich im Wald über Müll zu ärgern, ließe er sich davon inspirieren, weiß die Kuratorin. „Ja, hier kann ich mal die Sau rauslassen“, meint Putz lachend, der auch hölzerne Wildsäue zeigt. Selbst seine Preisliste mit den von ihm gezeichneten Einzelarbeiten ist ein kleines Kunstwerk. Weiterlesen

Bilder- statt Tanztheater? Das erste „Neue Stück“ der Pina Bausch Compagnie

Ein Tänzer besteigt einen Stuhl am linken Rand der halbdunklen Bühne, bekommt einen weiteren Stuhl gereicht, auf den er sich stellt. Dann nimmt eine Tänzerin mit High Heels seinen Platz ein.

Mit der Zeit arbeitet sich so das ganze Ensemble zeitlupenhaft auf den Stühlen an der Rampe entlang und verschwindet allmählich am rechten Rand. Zehn Minuten lang ertönt keine Musik, nur das Scharren und Knarren der Möbel ist zu hören.

Während Einzelne im Hintergrund noch mit Stühlen balancieren oder improvisieren, scheinen auf der Bühne eigenartige Bilder auf: Ein Mann wird aus dicken Papierknäueln geschnitten, später bewundert er sich als nackter Narziss in kleinen Spiegeln, die ihm Frauen reichen. Mit einem riesigen Baum besteigt eine winzige Tänzerin das Gebirge aus grauen Matten im Hintergrund der Bühne. Eine Frau scheint mit zwölf Beinen zu tanzen. Rücklinks gleiten einzelne Menschen extrem langsam den Berg hinunter…

Diese grotesken, meist schönen, manchmal auch lasziven Bilder sind keine Zwischenstationen des Tanzes, keine eingefrorenen Bewegungsbilder, sondern überwiegend eigenständige „lebende“ Gemälde und Skulpturen. Es ist deutlich, der Gast-Choreograf Dimitris Papaioannou kommt von der Bildenden Kunst, der Performance Art und dem experimentellen Theater. Klassisch oder zeitgenössisch wird in dem neuen Stück wenig getanzt, denn der griechische Choreograf knüpft an die mittlere Schaffensphase der Bausch an, seit der wir ja wissen: „Vieles kann Tanz sein.“

Mit dem Ensemble hat er wohl ganz im Geiste der legendären Choreografin gearbeitet: Etliche Szenen entstanden wie bei ihr aus Improvisationen, selten mal zitiert er ihre typischen Tanzfiguren, etwa eine „richtig“ getanzte Diagonale. Doch ansonsten entwickelt der Grieche ein ganz und gar individuelles Bildertheater, das sich dennoch in der Tradition des Wuppertaler Tanztheaters weiß.  Weiterlesen

Bazon Brock setzt Besucherschule in Wittenberg fort – Kunstausstellung bis zum 1. November 2017 verlängert

Im Alten Gefängnis der Lutherstadt Wittenberg setzten sich bekannte zeitgenössische Künstler wie Ai Weiwei oder Markus Lüpertz mit dem Reformator auseinander. Dazu lädt der Ästhetik-Professor Bazon Brock in eine Besucherschule zur Ausstellung ein.

„Sie müssen ja dumm sein, wenn Sie nur hierher kommen um zu sehen, was Sie bereits kennen.“ Mit diesen Worten entlässt Brock (81) nach seiner eineinhalbstündigen hochinteressanten Vorlesung die Besucher in das düstere Gemäuer, das für einen gemeinsamen Rundgang viel zu eng ist. 66 Künstler haben eine Zelle gewählt und als Kunstwerk umgestaltet oder die Flure und den Hof für ihre Installationen genutzt. „Die meisten“, so Brock, „setzten sich auf vielfältige Weise mit dem Ausstellungs-Thema ‚Luther und die Avantgarde’ auseinander, nur wenige präsentieren das, was sie immer zeigen.“ Jonathan Meese etwa ruft mit einer Videobotschaft in seinem wild bemalten Kabuff wieder einmal „Die Diktatur der Kunst“ aus.

Ohne weitere Sinndeutungen sind manche Installationen berührend, die sich direkt auf den tristen Ort beziehen, der von 1906 noch bis 1965 in Betrieb war. Eine Künstlerin installierte auf dem blanken Boden eine große nackte Schaufensterpuppe, wittenberg-face-2-2.jpgdie ab und zu mechanisch ihren Hintern heben und anbieten muss. Weiterlesen

Performance „Baby was a black sheep“

Performance während der Kunstwoche
auf der Wiese neben der „Kunststation“ Kleinsassen (Rhön)

Mit zwölf weißen Kunstschafen und einem schwarzen Schaf zeigen Hannah Wölfel und Hanswerner Kruse einige kleine Performances neben der „Kunststation“ Kleinsassen. Mal gruppieren sie die weißen Tiere bedrohlich um das schwarze, mal führt das schwarze Schaf mutig die weißen an. Durch kleine Veränderung in den Beziehungen der Geschöpfe zueinander können sich auch die Gefühle der Zuschauer verändern – die können schwanken zwischen Mitleid, Empörung oder fröhlicher Überraschung.

Wie verändern sich diese Tableaus wenn die beiden Performer selbst als Kunstfiguren zwischen den Schafe agieren, sich daneben legen oder dazu stellen? Wie verhalten sich die Kunstwerke auf der Wiese und die Schafe zueinander? Wölfel und Kruse wollen das Entstehen neuer lebender Bilder ausprobieren und zeigen die Performance:

baby was a black sheep…“ am Samstag 19. August während der Kunstwoche
um 16 und 17 Uhr auf der Wiese neben der „Kunststation“ Kleinsassen
Eintritt frei!

wpo-black-sheep-5196-sw.jpg

Foto:
Performance „baby was a black sheep…“ in Steinau vor dem Museum Grimm-Haus

Die beiden Performer Wölfel und Kruse leben in Schlüchtern und Berlin. Als „Gruppe Prompte Rührung“ arbeiten sie mal intensiver, mal sporadisch als Aktionskünstler zusammen. Ihre erste Performance inszenierten sie 1987 auf dem Frankfurter Römer.

Der Traum des Künstlers Both-Asmus über Bäume zu laufen…

Der in der Region Fulda aufgewachsene, nun in Berlin lebende Künstler Christoph Both-Asmus (32) versucht, Kunst und Ökologie zu verknüpfen.

Ein Mann liegt am Strand. Sein ganzer Körper ist dick mit Sand bedeckt. Der schützt ihn vor den glühenden Kohlen auf seinem Bauch. Darauf sind frische Blumen gesteckt. Im Hintergrund Felsen, Meer und Wolken. Both-Asmus zeigt dem Besucher kleine Fotos seiner Performance „Requiem“, von der er soeben aus Portugal zurückgekehrt ist. Nur mit dem Filmteam und anderen professionellen Helfern hat er die einstündige, präzise geplante Aktion realisiert, in der er Teil des Kunstwerks wurde. „Das war eine unglaublich starke Erfahrung“, erzählt der Performer, „ich war quasi ‚gesandwiched’, unter mir habe ich die Kälte des Atlantiks gespürt, über mir die Hitze des Feuers.“

Monate später, beim zweiten Besuch, zeigt er den Film mit diesem Ritual, das selbst auf dem Notebook eine stark meditative Wirkung hat. Durch die Hitze fallen Blütenblätter herab, nur durch sie und die fast unmerkliche Dämmerung wird vergehende Zeit deutlich. Ständig wird der Blick des Betrachters von dem bewegten Ozean angezogen. Statt im Hintergrund zu rauschen spürt man die ungeheure Kraft und Energie des Meeres. Die schnell durch die Kohlenglut herabfallenden Blumen verweisen poetisch auf die von Menschen geschaffenen Folgen der Erderwärmung.

Dann packt Both-Asmus die großen Bilder der Aktion aus, die heute geliefert wurden. „Proofs“ (Drucke) nennt er die auf verschiedenen Papieren abgezogenen Fotos. Weiterlesen

Ulrich Barnickels „Todsünden“ – Der Metallbildhauer stellt in Gotha aus

Europas wohl bekanntester Metallbildhauer Ulrich Barnickel (62) eröffnet am Freitag 2. Dezember in Gotha seine umfassende Werkschau mit Stahlplastiken und Objekten aus anderen Metallen. Zum ersten Mal präsentiert er dort seine neuen eisernen Modelle der sieben Todsünden.

Es war ziemlich mühselig, den Künstler in seinem Atelier an der Schlitz zu treffen. Soeben kommt er von einem Vortrag in Finnland zurück, am nächsten Tag will er seine Arbeiten nach Gotha bringen. Am wärmenden Holzfeuer aber lässt er sich Zeit, von seinem Projekt der Todsünden zu erzählen. Gerne schweift der Meister ab, zeigt Fotos vom Empfang beim Papst in Rom, erzählt über seine Luther-Skulptur in Hamburg oder erklärt den neuen, riesigen „Feuermann“ im Hof. „Ihr Journalisten seid ja dazu da, den roten Faden wieder zu knüpfen“, meint er lachend.

Also dann – in den letzten Jahren hat Barnickel sich nach dem „Weg der Hoffnung“ (2009) auf Point Alpha und den, noch nicht in großen Skulpturen realisierten „Zehn Geboten“, mit den Todsünden beschäftigt. „Völlerei, Neid oder auch die anderen Sünden versucht man ja zu vermeiden“, erklärt er, „aber ob das nun immer gelingt? Wir sind ja doch nur Menschen…“ Grundsätzlich arbeitet er jedoch nicht für die Kirche, sondern will zur Besinnung auf deren jahrhundertealten Werte beitragen, um diese wieder zu aktualisieren: „Wir müssen keine neuen Werte suchen!“ Kunst kann auch Politik beeinflussen, davon ist er überzeugt, und er will sich einbringen, um gesellschaftlich etwas zu verändern.

Für den Zyklus Todsünden hat er sieben kleine Plastiken als „Vor-Bilder“ – im Maßstab 1:10 – für die Realisierung in einer großen Figurengruppe geschaffen. Man kann bereits Bronzeabgüsse einzelner Kleinplastiken erwerben. Sie sind eigenständige Kunstwerke, keine Modelle im engeren Sinne, denn wenn der Künstler sie in zehnfacher Größe erschafft, verändern sich nicht nur viele Details durch die Metallbearbeitung sondern auch die Aura der Figuren, die dem Betrachter überlebensgroß entgegentreten.

Die Todsünden sollten erstmals in Fulda gezeigt werden. Das klappte nicht, weil eine geeignete Lokalität fehlte, nun werden sie im KulturForum in Gotha präsentiert. „Hasserfüllt und rasend / Schlägt der böse Zorn“ – stark stilisiert raufen zwei Figuren, eine scheint zum Schlag auszuholen. Ein anderes Paar ringt um einen goldenen Stern: „Immer länger wird der Arm im Neid / Nach den Sternen anderer greifen, umsonst.“ (Prof. Dr. Arlt). Diese neuen, eisernen Figuren sind wieder stark auf ihre Gesten reduziert, die angedeuteten Situationen weniger konkret als in den „Zehn Geboten“. Immer treffen zwei Figuren aufeinander, fast alle Sünden ereignen sich, wohl emblematisch, in der Zweiheit. Die Darstellungen wechseln zwischen Abstraktion und Erzählung, dem Betrachter bleibt Raum für Interpretationen.

Weiterlesen