Biennale-Tagebuch (1)

Die 60. Biennale in Venedig ist eröffnet. Vor dem, gar nicht erst eröffneten israelischen Pavillon, randalierten und grölten hasserfüllte Hamas-Anhänger.  Ansonsten hält sich der organisierte Antisemitismus in Grenzen, denn die Boykottbewegung (BDS) gegen Israel und jüdische Kunstschaffende, konnte sich in Venedig nicht durchsetzen. Im Gegensatz zur letzten documenta ist es nach einer Woche recht friedlich.

Das große Ausstellungsgebäude in den Giardini ist bunt und wild von einer indigenen Gruppe bemalt worden, die kein Geheimnis daraus macht, dass alle bei der Gestaltung ziemlich bekifft waren. Ansonsten rappelt, kracht und bimmelt es überall, die Atmosphäre ist laut und schrill. Es wird viel getanzt oder Theater gespielt, die Grenzen zwischen Performance und Leben verschwimmen. Getrommel und Gerüche betören die Sinne… Trotz der finsteren Zeiten in denen wir derzeit leben, ist die aktuelle Biennale ein buntes, vielfältiges und fröhliches Kaleidoskop.

Wie immer in den letzten Jahren, wollten wir zur Vorabschau für Journalisten und VIPs und danach zur Eröffnung der Biennale anreisen, aber aufgrund eines Unfalls mussten wir unsere Reise verschieben. Auch wenn wir – zunächst – nicht selber in die Giardini und in das Arsenale kommen konnten, kommentieren wir die Eröffnung und formulieren erste Eindrücke aufgrund der Berichterstattung in den deutschen Medien.

Seit vielen Jahren ist die Kunst-Biennale zweigeteilt:

In eigenen Pavillons im Giardini stellen etliche Länder ihre Kunstschaffenden vor. Im Arsenale, der gigantischen alten Schiffswerft, sind einige Länder temporär vertreten. Hier wurde in der Vergangenheit großartige zeitgenössische Kunst – oft beliebig – präsentiert, die Kuratoren wählten, wenn überhaupt, die Themen ihrer Projekte selber.

Im großen Palast in den Giardini und in vielen, vielen Hallen der Arsenale werden seit jeher Kunstwerke präsentiert, die vom jeweiligen Kurator zum – von ihm gewählten Thema der Biennale – ausgewählt wurden.

Auf dem letzten Kunstfestival vor zwei Jahren hieß es „The milk of Dreams“ der Kuratorin Cecilia Alemani. In diesem Jahr postulierte der brasilianische Ausstellungsmacher Adriano Pedrosa „Fremde überall“. Er lud 332 Ausstellende ein, die im Westen weitgehend unbekannt sind und meist noch nie auf der venezianischen Biennale vertreten waren.

Mit seinen ausgesuchten Werken von Fremden, Queeren, Indigenen und Außenseitern setzt Pedrosa die Konzeption der letzten Biennale fort. Damals hatte Alemani viele vergessene oder nicht beachtete Künstlerinnen ausgegraben und vorgestellt.

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In Vielfalt vereint – Studioausstellung EuropArt 

KLEINSASSEN von Hanswerner Kruse 

Anlässlich der nahenden Europawahl zeigt das Vonderau Museum die Fotoschau „Europa, Fulda und Ich“. Die Kunststation beteiligt sich am Thema mit ihrer Studioausstellung EuropArt.

Eine Mutter und ihr Kind schweben zwischen Traum und Wirklichkeit. Surreale Gestalten schaffen eine eigenartige Landschaft. Der Mann malt sich die Welt zurecht. Farbenfrohe abstrakte Kompositionen regen die Fantasien an. Sehr unterschiedliche Bilder in verschiedenen Stilen und mit diversen künstlerischen Mitteln hergestellt, sind derzeit im Studio der Kunststation zu sehen. 

Doch man erlebt hier kein beliebiges Sammelsurium vieler Kunstschaffender, sondern die Gemälde, Collagen und Zeichnungen sind von Kuratorin Elisabeth Heil so ausgewählt, dass sie harmonieren oder Kontraste bilden. Das sich einstellende Gefühl ist tatsächlich: „In Vielfalt vereint!“ Genau das will die Schau hervorrufen, denn jedes Objekt steht symbolisch für ein anderes europäisches Land. Fast alle EU-Staaten und einige Beitrittskandidaten sind dadurch hier vertreten.

Die große Überraschung: Alle Arbeiten sind aus der Artothek des Hauses, sie sind von europäischen Kunstschaffenden gestaltet und hier in den letzten Jahrzehnten ausgestellt worden. Die Station hat diese Objekte angekauft, sie können ausgeliehen oder erworben werden. Es sind nicht nur Einzelausstellungen, auf welche die Werke verweisen, sondern einige sind auch vor Ort in Austauschprogrammen entstanden. Etwa das verrätselte Bild der Finnin Milia Änäkkälä, in dem tatsächlich der Kleinsassener Kirchturm zu erkennen ist (Foto oben). 

Zur Schau „Zehn aus Wien“ reisten österreichische Kunst-Professoren und Meisterschüler an. Der Überblick europäischer Sinti-und Romakünstler ging anschließend um die Welt. Regelmäßig sind Stipendiaten der Via Regia hier zu Gast, das also per se ein europäisches Projekt ist. Denn die Via Regia verband schon sehr früh kulturell diverse Länder unseres Kontinents.

„Durch die ästhetische Vielfalt dieser Ausstellung, wird auch das europäische Profil der Kunststation deutlich“, freut sich Leiterin Monika Ebertowski im Gespräch.

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Künstlergespräch in der Kunststation

„Klaus Schnei-der macht aus
sei-nen Hai-kus Kunst-Wer-ke
Spra-che wird zur Kunst“

Dies sind holprige, vom Verfasser erdachte Verse im japanischen Haiku-Stil. Haikus sind mittlerweile weltweit verbreitet, immer dreizeilig und bringen vorwiegend mit fünf/sieben/fünf Silben aktuelle Begebenheiten poetisch auf den Punkt. Oft sind sie auch philosophisch aufgeladen.

Der Frankfurter Künstler Klaus Schneider beschäftigt sich mit dem Zusammenhang oder der Differenz von Worten versus Bildender Kunst. In der Studio-Ausstellung „bei licht besehen“ (noch bis zum 7. April), präsentiert er Arbeiten, die das 17-zeilige Silbenschema der Haikus gleichsam in sicht- und fühlbare Kunstwerke transformieren.

Denn Malereien oder Skulpturen sind meist keine Symbole für etwas anderes, sondern als „präsentative Symbolisierungen“ (Susanne Langer) stehen sie für sich selbst. Durch ihre Betrachtung oder beim Anfühlen, kann sich die Bedeutung erschließen. Man muss sie im übertragenen Sinn „bei Licht besehen“, also intensiver wahrnehmen. Die Objekte vermitteln durch Farben, Formen, Strukturen eine unmittelbare, sinnliche und wörtlich: eindrucksvolle Erfahrung. Man kann die Haikus sehen! Gleichzeitig setzt Schneider manche Verse in Blindenschrift auf seine Werke, so dass man sie mit den Fingern fühlen könnte… Übertragen auf Partituren werden sie sogar für Musiker spielbar.

Der Wort- und Sprachkünstler Schneider kommt am 10. März 2024 ab 16 Uhr zum Künstlergespräch nach Kleinsassen, um seine Arbeiten vorzustellen. Die Umsetzung der Haikus in Musik übernimmt am Flügel Nigel Edwards. Der Eintritt zu allen Ausstellungen ist an diesem Tag frei.

Infos
„bei licht besehen“
Studioausstellung in der Kunststation Kleinsassen/Rhön
noch bis zum 7. April 2024
Die weiteren Ausstellung laufen
bis zum 28. April 2024
 www.kunststation-kleinsassen.de

Foto
Blick in die Studioausstellung
© Hanswerner Kruse 

Von Drahtwäldern bis fühlbaren Heikus

Ein Rundgang durch vier neue Ausstellungen in der Kunststation Kleinsassen / Rhön.
Heute geht es französisch zu“, begrüßte die Leiterin des Hauses Monika Ebertowski die vielen Gäste der Vernissage. „Les feuilles mortes“ („Die gestorbenen Blätter“) sang Sopranistin Verena Gass, am Flügel begleitet von Axel Daniel. Später folgten weitere Chansons, die sich auf die Ausstellungen bezogen.

Besonders freute sich darüber das französische Künstlerpaar Anne Eliayan und Christian Pic, das viele eigene Werke aus Arles – der Stadt Vincent van Goghs – mitbrachte. Seit 60 Jahren ist dieser Ort Fuldas Partnerstadt, seit 30 Jahren gibt es den Freundeskreis Arles-Fulda, der jetzt die Verbindung zur Kunststation unterstützt. „What’s the matter“ („Was ist los“) heißt die Schau – und es ist mächtig was los in ihren Räumen. Riesige seltsame Naturbilder empfangen den Besucher – etwa ein grellrotes Band, das sich durch eine wilde steinige Landschaft schlängelt, oder ein Baum der mit rotem Stoff umwickelt ist.

Im kleinen Saal verirren sich Figuren aus gefestigtem Zeitungspapier in Drahtwäldern. Hinter den Skulpturen sind Bildnisse seltsam karger, auf reines weiß reduzierte Bäume zu sehen. Am Ende der Ausstellung kann man Opfer unserer Konsumwelt erleben: sie stehen, wie Gekreuzigte mit ausgebreiteten Armen, auf Bergen von Uhren, Elektrogeräten oder Handys.

Den Objekten des Künstlerpaares liegen oft inszenierte und ausgedruckte Fotografien zugrunde. Diese werden später nachbearbeitet, erneut fotografiert und direkt auf Dibond-Platten gedruckt. So changieren die Werke technisch und ästhetisch zwischen Malerei und Fotografie. Die beiden trennen die Urheberschaft nicht, haben Spaß an der Zusammenarbeit – und das glaubt man ihnen, wenn sie begeistert von ihrem Schaffen erzählen. Zum Beispiel, wie Pic den 40 Kilo schweren Seidenballen durch das Tal schleppte. Das Duo setzt sich immer mit der Umwelt auseinander, sieht kritisch auf menschliche Spuren in der Natur oder ihrer Umgebung. Sie machen keine Öko-Propaganda, sondern die Objekte behalten immer ihren unwägbaren Rest, der uns eigene Assoziationen und Fantasien ermöglicht. Der Austausch von Kunstschaffenden aus dem Fuldaer Raum und Arles soll weiter fortgesetzt werden.

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Unwirkliche magische Welten

Die Fotomontagen von Georg Küttinger wurden bereits im Bericht über den Rundgang durch die neuen Ausstellungen der Kunststation in Kleinsassen / Rhön vorgestellt. Der Künstler fotografiert Landschaften aus verschiedenen Perspektiven und zu unterschiedlichen Tageszeiten, dann fügt er Ausschnitte dieser Fotos zu neuen Landschaftsbildern zusammen: „landscapes:remixed.“

Der Arbeitsprozess seiner ersten Werkgruppe ist leicht nachvollziehbar, das Ergebnis spannend, weil er eine neue fotografische Realität der Straßen, Felsen oder Poller schafft. „Sie sind ein Tanz der verschiedenen Blicke auf die reale Landschaft vor dem inneren Auge“, meint die Leiterin der Kunststation Monika Ebertowski. Siehe Neues aus der Rhön.

Seine zweite Werkgruppe „Interferenzen“ in der Ausstellung ist schwieriger zu verstehen. Doch Küttinger kommt selbst – nach dem Ende der Betriebsferien – zum Künstlergespräch am 10. Dezember in die Kunststation. Vielleicht lief man achtlos oder nur mäßig interessiert an den gläsernen Mosaikobjekten vorbei. Doch wenn man sie länger betrachtet, den Kopf bewegt, hin- und hergeht, hoch- oder runterschaut entstehen kleine Farb- und Lichtspiele: Die „Interferenzen“.

Um diese physikalische Wirkung zu begreifen, benötigt man keinen gymnasialen Leistungskurs Physik. Die Künstliche Intelligenz (ChatGPT) erklärt sie recht einfach: „Stell dir vor, du wirfst einen Stein in einen Teich, und dann wirft jemand anders auch einen Stein hinein. Die Wellen, die von beiden Steinen erzeugt werden, treffen sich in der Mitte des Teichs und ‚kämpfen‘ miteinander. Es ist, als ob die Wellen miteinander tanzen und dabei ein Muster erzeugen – das nennt man Interferenz. Auch Lichtwellen können sich kreuzen, vermischen und Muster erzeugen. Denk an Regenbögen, Seifenblasen oder farbige Ölflecken auf Wasser, als Beispiele für Licht-Interferenzen.“

Der Künstler montierte in seinen Arbeiten keine Glaskügelchen aneinander, sondern die Werke der Gruppe „Interferenzen“ sind ebenfalls fotografischen Ursprungs: Mit der Kamera hielt er abstrakte, selbst gefertigte Objekte aus unterschiedlichen Positionen und bei verschiedenem Licht fest, die fotografischen Ergebnisse wurden ebenfalls vermischt.

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Mit Malerei habe ich nichts am Hut…

Caroline Camilla Kreusch in der Kunststation: Lassen wir uns überraschen, was alles in die große Halle der Kunststation hineinschweben wird“, hieß es in der Einladung zur Schau der Künstlerin im Rahmen der Herbst-Ausstellungen. Tatsächlich verblüffte die Künstlerin den Pressebesucher am Tag vor der Vernissage: Sie schwebte mit einer um den Hals zu tragenden Textilskulptur neben ihrem Wandobjekt „Mikrolose Makrowolke“ (Foto). Aber das weiche Gebilde mit Zotteln fand dann doch keinen Platz in der aktuellen Präsentation ihrer Arbeiten.

Diese kleine Begebenheit offenbart bereits viel über die Künstlerin: Sie spielt gerne mit Materialien oder Worten, legt sich nicht fest, freut sich auf Neues und Unbekanntes. Ihre Arbeiten tragen Namen wie „Pistazienrutsche“ oder „Ungekämmte Ereignisse“, doch diese skurrilen Titel weisen selten den Weg zum rationalen Verständnis ihrer Werke. Man kann Kreuschs Arbeiten einfach nur erleben und sich daran erfreuen; oft wirken sie dynamisch und fordern zur musikalischen oder tänzerischen Umschreibung heraus.

Ihr Werk im Hintergrund des Fotos sieht aus wie ein leicht dreidimensionales Objekt, ein „Halbrelief“, weitere solche Arbeiten brachte sie mit nach Kleinsassen. Doch die vermeintlichen Wandskulpturen sind ausgesägte Platten aus dem sehr festen MDF-Holz. Diese gestaltete sie dann sorgfältig weiter mit kräftigen Farben, „die ich wie Baumaterial verwende.“ Dadurch erzielt sie die räumliche Wirkung.

An einer anderen Wand befestigte Kreusch neben ihren Bildern einige Pappskulpturen: „Klimakisten, gold und schief aber dicht“, wie es in deren Titeln heißt. Oder sie breitete edel aussehende, grellfarbige Skulpturen im Raum aus: „Polyeder“, die sich selbst narzisstisch in Spiegeln auf dem Boden betrachten. „Ich bin Bildhauerin und habe nichts mit Malerei zu tun“, erklärt die Künstlerin, die übrigens aus einer äußerst musikalischen Familie stammt. „Meine Werke sollen im Raum wirken.“ Man kann sie zwar einzeln betrachten (und natürlich auch einzeln kaufen), aber in den Ausstellungen setzt sie diese oft sehr unterschiedlich anmutenden Arbeiten in Beziehung zueinander. So entstehen Installationen, die eine eigene fantastische Welt bilden. 

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Sind wir alle Reisende?

Wir alle sind Viaggiatori, Reisende – teilt uns der italienische Künstler Idilio Galeotti in seiner Studioausstellung in der Kunststation mit. Vor dem Studio steht er selbst als lebensgroße Puppe, im Saal zeigt ein Video die fiktive Erzählung eines Mannes, dargestellt von Galeotti, der nach jahrzehntelangem Schlaf im Eis in einer veränderten Welt wiedererwacht.

Die Unbilden oder Freuden der neuen Zeit zeigt uns der Künstler nicht nur im Video, sondern drückt sie in seiner Schau auch mit Skulpturen aus gebranntem Ton aus: Da gibt es die fast militärisch aufgereihten, knallbunt glasierten Reisenden. Oder Rotfüchse, die Berlin erobern wollen. Dann den Container-Lastwagen als Keramikskulptur, in dessen Fensterscheiben vage Träumereien erkennbar sind; am Steuer des Fahrzeugs hockt ein Schäferhund. „Wenn Lastwagen, die Waren transportieren, sich verwandeln in Wagen für Emotionen, Wünsche, Wunder“, nennt der Bildhauer dieses Objekt.

Schnell wird klar, Galeotti ist beileibe kein Töpfer, sondern ein mit Ton arbeitender Poet, der die Garstigkeit unserer sich drehenden Welt (so eine weitere Skulptur) und die Unzulänglichkeit der Menschen ironisch aber nachsichtig anprangert. Sein keramisches Architekturensemble mutet sogar hoffnungsvoll an und setzt einen Kontrapunkt gegen allzu negative Weltsichten. Aus eigenartig schönen, futuristischen Gebäuden treten einzelne, vielleicht einsame Menschen heraus, die sich in die schöne neue Welt trauen. Einer nähert sich wohl behutsam seiner nackten Nachbarin… „Die unvollkommenen Architekturen der Seele“, heißt der etwas verrätselte Titel dieser fantastischen Werkgruppe.

Galeotti lädt uns als Reisende zur Entdeckungstour durch seine fröhlich bis sarkastische Kunstwelt ein. Er lebt in Modigliana, der Partnerstadt von Hofbieber, deren italienischer Freundeskreis die Ausstellung im Studio unterstützt und gemeinsam mit Monika Ebertowski, Leiterin der Kunststation, ausheckte.

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Performance zur Eröffnung der Ausstellung „Fragil“

Zur Eröffnung der Ausstellung „Fragil“ des Fuldaer Kunstvereins realisierte die Künstlerin Hannah Wölfel eine zweistündige Performance zum Thema. Die Performance dauerte zwei Stunden.

Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung setzte sich Hannah Wölfel auf einen schwarzen Stuhl im Gang zur Kapelle und fixierte sich selbst mit rot-auf-weißen Klebebändern „FRAGIL“. Die Leute mussten sich beim Hereinkommen entscheiden, ob sie links oder rechts an der Künstlerin vorbeigehen wollten. Anschließend blieb sie noch eine Stunde zwischen den Besuchern und Besucherinnen sitze, bevor sie ihre Aktion beendete.

Als Künstlerin trat sie nicht hinter ihr Werk zurück, sondern wurde während der Performance selbst ein  künstlerisches Objekt. Sie versetzte sich in  fragile Zustände, in denen sie aber keinen Kontakt mit dem Publikum aufnahm und auf Begegnungen nicht reagierte.

Zurückgezogen aber intensiv konzentrierte sie sich auf das Thema „FRAGIL“. Jenseits und doch als Teil der Vernissage spürte sie fragilen Ereignissen in ihrem Leben und ihrer aktuellen Situation nach. Ihre dadurch entstandenen Emotionen sollten für Außenstehende nach-fühlbar werden. Als lebende Skulptur „FRAGIL“ war sie eingeschnürt, gehemmt, behindert und forderte das Publikum zu eigenen 
Erinnerungen heraus.

Dadurch transformierte sie einstige oder aktuelle private Erfahrungen des „FRAGILEN“ – also individuelles Erleben – in universelle Bedeutung. Die positive Resonanz der Leute auf ihre Aktion war gewaltig.

Ausstellung „Fragil“ im Vonderau-Museum in Fulda

„Fragil“ heißt die aktuelle Ausstellung des Kunstvereins Fulda im Vonderau-Museum, die soeben eröffnet wurde. Auf drei Etagen stellen 59 Kunstschaffende des Vereins gut 133 fantastische Bilder, Fotografien, Installationen, Skulpturen und weitere Werke zum Thema „Fragil“ aus.

Allein die Vernissage wäre einen eigenen längeren Bericht wert. Denn durch das Eröffnungsprogramm führte die – nach eigenen Worten – „Fachkraft für Unterhaltung“ Wolf Mihm. Mit frechen Kabaretteinlagen, sanften Gesängen und einem Loblied auf die Ausstellung faszinierte er immer wieder die Eröffnungsgäste und anwesenden Künstler und Künstlerinnen. Unterstützt wurde er von der singenden Tänzerin Alexandra Pesolt, mit der er gemeinsam einen Sting-Song darbot. Der Leiter des Vonderau-Museums Frank Verse, von Mihm vorgestellt als „Boss der Bude“, verwies darauf, dass aktuell die Auseinandersetzung mit Fragilität viele Gewissheiten infrage stelle. Das Gemälde „Der Goldfisch in der Wüste“ drücke das für ihn am ehesten aus.

„Alles ist fragil, nichts ist stabil!“ 

Ins Programm flossen viele kurze Antworten auf die bereits zuvor gestellte Frage an die Kunstschaffenden des Vereins ein, was für sie der Begriff ‚Fragil‘ bedeute. Zunächst zog Mihm Zettel aus einer Kiste und rezitierte einige Antworten, später trugen Mitglieder aus dem Publikum selbst ihre Statements vor: Fragil ist für mich „…hoffentlich nicht der Ast auf dem ich sitze“, „…das Kribbeln eines ersten verliebten Blicks“ oder „…ein Spinnennetz auf einer feuchten Wiese.“ Zum Schluss tanzte Pesolt graziös einige vom Moderator ausgewählte Antworten: Fragil seien ein „Balanceakt“, „Konfetti in der Luft“ oder „Regentropen auf einen See“. 

Anne Härtel-Geise, die Frau, „die hier im Museum in den letzten zwei Wochen ihren Erstwohnsitz hatte“ (Mihm), trug eine schöne Rede zum Thema vor. Dann bekannte sie, dass die von ChatGPT inspiriert sei und machte mit Beispielen die Gefahren der Künstlichen Intelligenz (KI) für die Kunst deutlich, verwies aber auch auf deren Möglichkeiten zur Unterstützung der künstlerischen Kreativität. Abschließend meinte sie, das Unerklärliche in der Kunst ließe sich eben nicht durch die KI erfassen!  

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Nur noch drei Wochen: „Plastic World“ in der Schirn

Bekanntlich ist die Schirn eine langgezogene Halle, die man in der Mitte betritt und sich nun entscheiden muss, ob man links oder rechts herum gehen will. Empfangen wird man zunächst von fröhlichen Objekten aus diversen Plastiksorten, wie den aufblasbaren „Nanas“ von Niki de Saint Phalle oder der hyperrealistischen Nackten, „Woman Leaning“, von John de Andrea.

Nur noch drei Wochen lang sind in der Ausstellung etwa 100 Arbeiten zeitgenössischer Kunstschaffender zum Thema „Plastic World“ zu erleben.Links herum, an einem Ende der Schau kann man die riesige traumartige Installation begehen, ein „Luft-Aquarium“, in dem gigantische Fabel-Meerestiere aus durchsichtigem Plastik unaufhörlich aufgeblasen werden. Zwei mächtige rote Seeanemonen-Sterne aus festerem rotem Kunststoff lassen zeitlupenhaft ihre Zacken hängen, erstarren und richten sie wieder auf. Die Künstlichkeit des Environments von Otto Piene orientiert sich an der Natur und entführt die Besucher in eine magische Unterwasserwelt, in der man – durchaus trocken – noch lange bleiben und meditieren möchte. 

Am anderen Ende des Saales fasziniert Berta Fischers ausgedehnte skulpturale Farbwolke „Garmion“, die aus kleinen farbenfrohen Plättchen zusammengesetzt ist. Das Werk hängt an zarten Fäden von der Decke, wirkt federleicht und wirft wunderbare Schatten (Bild unten). Auch am Schluss der Ausstellung verführt es zum Bleiben und Rumschlendern. Immer wieder entstehen beim Gehen um das schwebende Gebilde neue Aussichten und zarte Anmutungen: Ein wunderbares Erlebnis, das einem die Problematik des Materials vergessen lässt. „Verführerische Plastik“ heißt passenderweise dieser letzte Teil der Schau, in der sich weitere bezaubernde Arbeiten befinden.

„Plastic World“ bewegt sich in einem Spannungsfeld: Die Begeisterung der Pop-Artisten durch synthetische Materialien in den 1960er-Jahren ist ebenso zu spüren, wie die Lust späterer Kunstschaffender am Experiment mit plastischen Substanzen oder – bereits recht früh – ihr kritischer Umgang mit Plastikmüll. Auch viele Künstlerinnen fanden Gefallen an dem Werkstoff. 

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