Ein Tänzer besteigt einen Stuhl am linken Rand der halbdunklen Bühne, bekommt einen weiteren Stuhl gereicht, auf den er sich stellt. Dann nimmt eine Tänzerin mit High Heels seinen Platz ein.
Mit der Zeit arbeitet sich so das ganze Ensemble zeitlupenhaft auf den Stühlen an der Rampe entlang und verschwindet allmählich am rechten Rand. Zehn Minuten lang ertönt keine Musik, nur das Scharren und Knarren der Möbel ist zu hören.
Während Einzelne im Hintergrund noch mit Stühlen balancieren oder improvisieren, scheinen auf der Bühne eigenartige Bilder auf: Ein Mann wird aus dicken Papierknäueln geschnitten, später bewundert er sich als nackter Narziss in kleinen Spiegeln, die ihm Frauen reichen. Mit einem riesigen Baum besteigt eine winzige Tänzerin das Gebirge aus grauen Matten im Hintergrund der Bühne. Eine Frau scheint mit zwölf Beinen zu tanzen. Rücklinks gleiten einzelne Menschen extrem langsam den Berg hinunter…
Diese grotesken, meist schönen, manchmal auch lasziven Bilder sind keine Zwischenstationen des Tanzes, keine eingefrorenen Bewegungsbilder, sondern überwiegend eigenständige „lebende“ Gemälde und Skulpturen. Es ist deutlich, der Gast-Choreograf Dimitris Papaioannou kommt von der Bildenden Kunst, der Performance Art und dem experimentellen Theater. Klassisch oder zeitgenössisch wird in dem neuen Stück wenig getanzt, denn der griechische Choreograf knüpft an die mittlere Schaffensphase der Bausch an, seit der wir ja wissen: „Vieles kann Tanz sein.“
Mit dem Ensemble hat er wohl ganz im Geiste der legendären Choreografin gearbeitet: Etliche Szenen entstanden wie bei ihr aus Improvisationen, selten mal zitiert er ihre typischen Tanzfiguren, etwa eine „richtig“ getanzte Diagonale. Doch ansonsten entwickelt der Grieche ein ganz und gar individuelles Bildertheater, das sich dennoch in der Tradition des Wuppertaler Tanztheaters weiß. Weiterlesen