Entführung in seltsame Welten

Zum 25-jährigen Jubiläum der Galerie Liebau präsentiert der international erfolgreiche Künstler Michael Jastram Bronzeskulpturen und Zeichnungen. Nicht zum ersten Mal ist der Bildhauer hier mit einer Ausstellung zu Gast.

Die Skulpturen entführen die Betrachter in merkwürdige Welten: Eine männliche Figur hockt einsam auf der Spitze eines langgezogenen, schiffsartigen Gebildes („The River“). Über eine Mauer mit Rädern reiten drei Männer auf Pferden den „Schmalen Pfad“. Einer sitzt als „Easy Rider“ auf dem Rand eines maschinenartigen Hauses mit zwei Rädern. Oft halten die Menschen Balancierstangen, wohl um an diesen seltsamen Orten nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. 

Drei listig wirkende Frauen halten den Leib eines Mannes in einer sargartigen Kiste auf Rädern gefangen, nur der Kopf schaut hinten heraus; sie stehen auf dem Gefährt. „Urteil des Paris“ heißt diese Arbeit. Offenbar hatte der Eingesperrte keine Chance, eine der Frauen – Aphrodite, Athene oder Hera – auszuwählen, wie in der griechischen Mythologie vorgesehen. Jastram kann also auch humorvoll sein, das Oeuvre ist sowieso frei von Pathos.

Die architektonischen Gebilde sind nicht kunsthandwerklich ausgearbeitet, sondern rustikal geformt und zusammenfügt, weisen kräftige Arbeitsspuren auf. Oft verbinden steile, holperige Treppen diverse Bildteile. Grob geformt sind die Figuren, zeigen Haltungen, aber keine individuellen Züge. Oft besteht eine starke Spannung zwischen diesen singulären Wesen und den Räumen, in denen sie sich zurückzogen oder ausgesetzt wurden. Die rauen Oberflächen haben Patina angesetzt, gelegentlich schimmert die Bronze durch, aus der alle Stücke aufwendig im Wachsschmelzverfahren gegossen wurden. Behutsam sind einige Werke etwas vergoldet.

In der blendend weißen Galerie sind die Plastiken streng und zentralperspektivisch angeordnet, doch es lohnt sich näher zu treten und sie aus anderen Blickwinkeln zu sehen. Die Objekte sind nicht besonders groß, bilden nichts realistisch ab, deuten ihre Motive und Themen lediglich an – und sind doch von enormer Kraft und ziehen einen in ihren Bann. 

Mal wirken die Menschen verloren oder einsam, mal agieren sie listig in Gruppen wie die Weiber auf dem „Paris“ oder als unterschiedlich mutige Kerle auf drei Pferden. Trotz ihrer Verschiedenheit sind die Skulpturen alle leicht verrätselt und dadurch irritierend. Sie wirken wie eingefrorene Träume, in denen Fundstücke unterschiedlicher Provenienzen und Epochen miteinander verbunden oder aufeinander getürmt wurden. Man wird in andere Welten versetzt, nicht unbedingt in die Antike und schon gar nicht an wiedererkennbare Orte. Es sind durch Form und Farbe archetypisch wirkende Gebilde, die dennoch bis in die Gegenwart reichen. Ein verwirrendes Gefühl der Fremdheit stellt sich ein, das wohl Jastrams Gestalten, diese Reisenden in der Zeit, ebenfalls erleben. 

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Konfrontative Unterschiedlichkeit in der Kunststation

In der Kunststation Kleinsassen (Rhön) begann die Herbstausstellung mit Arbeiten dreier Kunstschaffender: Hyperrealistische Bleistiftzeichnungen von INK. Riesige stilisierte Tierdrucke und verzinkte Bleche mit eigenartigen Zeichen von Abi Shek. Magische fast abstrakte Farbkompositionen und Stelen von Günter Liebau. 

„Kunst ist stets eine Auseinandersetzung mit der Welt“, schrieb Kuratorin Dr. Elisabeth Heil zur Eröffnung. Nun, ungleicher können die Gestaltungen kaum sein, mit denen die drei ihren Blicken auf die Welt eine Form gaben. Und dennoch fügen sich die Werke in ihrer konfrontativen Unterschiedlichkeit, zu einer ausgewogenen Einheit. 

Günter Liebaus Arbeiten in der Schau „Strukturen“ hält man zunächst für abstrakte Kompositionen und erträumte Landschaften, die keine erkennbaren Orte zeigen.  Doch bei näherer Betrachtung, wirken die farbkräftigen Bilder vor allem durch ihre starken Oberflächen-Strukturen. Die schafft der Künstler durch übereinander aufgetragene, aufreißende Spachtelmassen, die er zwischendurch anschleift. Daher mischen sich Spuren der vorigen Gestaltungen mit weiteren Aufbrüchen und Rissen, auf die Liebau erneut reagiert. Seine nichts darstellenden Werke lösen beim Betrachter Emotionen und Fantasien aus, für die seine Titel Fährten legen: „Lichtspiele“ oder „Zwischen Moll und Dur“.

Die Zeichnerin INK interpretiert aktuell das alte christliche Thema „Glaube, Liebe, Hoffnung“ mit ihren Arbeiten. Das verkörpern – wörtlich – vor allem ihre diversen Evas, mit denen sie sich schon länger beschäftigt.

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