Die Choreografin Nanine Linning verlässt Heidelberg – ein trauriger Abschied

Sechs Jahre lang erneuerte Nanine Linning (41) mit ihrem kleinen Ensemble erfolgreich die Tanzsparte des Heidelberger Theaters. Nun verlässt sie die Stadt und arbeitet in Europa als freie Choreografin ohne festes Engagement.

Eine Gruppe von gefiederten Wesen bewegt sich zitternd, drehend, hüpfend zur nervösen Minimal Music John Adams. Manchmal werden die nicht synchron Tanzenden ganz, ganz langsam, Einzelne brechen mit individuellen Bewegungen aus und kreieren doch in der Gruppe gemeinsame Bilder. Später verschwinden Paare zu klagenden Tönen von Arvo Pärt und Gustav Mahler hinter milchigen Vorhängen. Zur Livemusik des Philharmonischen Orchesters tanzen sie Soli oder Pas de Deux; und werden immer weniger.

„Dusk“, dieses reduzierte Stück auf der kahlen Bühne erzählt vom Abschied, vom Verschwinden – und stimmt sehr traurig! Man spürt intensiv den Schmerz, den Linning über den Verlust eines geliebten Menschen, in diesem Werk aufgehoben hat. Zugleich aber ist diese melancholische Choreografie ihr Schwanengesang: ihre letzte Arbeit in Heidelberg, die noch bis zum Ende der Spielzeit gezeigt wird.

Einige Tage danach präsentiert die Compagnie zum letzten Mal „Khora“, ihr Tanzstück des letzten Jahres. Auch hier ist die gesamte Choreografie bereits stark reduziert, die leere Bühne wird ab und zu lediglich mit Vorhangstreifen und farbigem Licht gestaltet, das verfremdet die Tanzenden und schafft faszinierende vergängliche Räume. Auch ohne die aufwendigen Bühnenbilder der letzten Jahre zeigt das Ensemble berührende und spannende Bilder mit zahlreichen Bewegungsstopps. Während es im klassischen Tanz eher darauf ankommt, sich kunstvoll von einem Ort zum anderen zu bewegen, schafft die Compagnie durch das Einfrieren kunstvolle flüchtige Skulpturen.

Doch der großartige Tanzabend versackt am Ende in einer banalen choreografischen Tupperparty. Weiterlesen

Bilder Francis Bacons in Heidelberg als „armes“ Tanztheater

In einem Kammerspiel mit nur sieben Tanzenden inszeniert die Choreografin Nanine Linning ihre berührende Auseinandersetzung mit Francis Bacon (1909 – 1992), der in seinen Malereien meist kraftvolle aber zugleich deformierte Menschen zeigte.

In dem kleinen Saal des Heidelberger Zwingers schwebt eine an den Füßen aufgehängter Tänzerin direkt vor den Köpfen der Zuschauer. Eine weitere baumelt im hinteren Teil der winzigen Bühne. Tänzer liegen zusammengekrümmt am Boden. Zu schrillen elektronischen Klängen bilden sich Paare, die einander mit wilden Bewegungen anziehen und wegstoßen, sich verklammern und winden, quälen und doch immer wieder zu lieben versuchen. Bis zur Erschöpfung tobt und rast ein junger Tänzer, rollt keuchend vor die Füße der Zuschauer. Eine nass geschwitzte Tänzerin greift zwei Akteure an und wird von ihnen ins Publikum geschleppt.

Alle Performer geben physisch und psychisch in diesen Kampftänzen alles, machen sich verwundbar und nackt. Das Stück ist kein Tanztheater, an dem man sich distanziert erfreut, sondern ein intensives Abenteuer. Linnings Compagnie führt kein Drama auf, sondern zieht das Publikum in ihren engen Raum hinein und lässt es die dort entstehenden Triptychons oder Einzelbilder Bacons erleben.

Bisher hat erstaunlicherweise kaum ein Choreograf oder Regisseur die Bilder des Malers auf die Bühne gebracht. Der schuf, ungeachtet aller künstlerischen Strömungen in der Mitte und zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, figurative Bilder mit meist mächtigen düsteren Gestalten. Weiterlesen