„Die Spur“ – der Berlinale-Film endlich im Kino

Fast ein Jahr nach seiner Uraufführung auf der Berlinale kommt der eigenwillige polnische Film „Die Spur“ nur in einige Kinos, obwohl er einen silbernen Bären gewann und auch für einen Oscar nominiert wurde.

„Du hast den Krieg nicht angefangen“, wird die ältere Janina Duszejko (Agnieszka Mandat ) von einem ihrer wenigen Freunde getröstet. Die unangepasste und von den Dorfbewohnern verachtete Frau, die viel in der Welt herumgekommen ist, lebt abseits des kleinen Dorfes, nahe der polnisch-tschechischen Grenze. Mit ihrer anarchistischen aber barmherzigen Lebenshaltung passt die Vegetarierin nicht in die scheinbar heile Dorfgemeinschaft. Im Ort herrschen willkürlich die, in einer Jäger-Clique zusammengeschlossenen Honoratioren. Sie quälen Tiere, halten sich an keine Jagdregeln und behaupten mit Korruption und Erpressung ihre Macht. Unter der gediegenen Oberfläche gedeihen Glücksspiele und Prostitution.

Als Duszejko ihre geliebten Hunde begraben will, die wahrscheinlich von den Jägern ermordet wurden, schnauzt der Pfarrer sie an: „Tiere wie Menschen zu behandeln ist Blasphemie!“ Obwohl „Tiere keine Seele“ haben, wie der Priester jägerfreundlich von der Kanzel verkündet, schlagen sie eines Tages zurück: Nach und nach werden der Polizeipräsident, der Chef einer Fuchsfarm, der Bürgermeister und andere Jäger offenbar von Tieren getötet. Die Spuren an den Leichen verweisen darauf, dass sie von Käfer zerfressen oder von Rehen und anderen Tiere zerbissen wurden. Für Duszejko ist klar, dass sich die misshandelten Kreaturen an ihren Peinigern rächen, jedoch die meisten Dorfbewohner halten sie für verrückt.

Mit düsteren, gelegentlich auch sonnigen Bildern – wie inspiriert von der romantischen deutschen Malerei – erzählt die bekannte Filmemacherin Agnieszka ihre spannende Geschichte. Der gelegentlich sogar humorvolle Streifen lässt sich keinem Genre zuordnen und nimmt überraschende Wendungen. Bis zum märchenhaften Schluss ist „Die Spur“ mal Heimatfilm mal Krimi, aber auch Fantasyfilm oder Ökothriller. Die Regisseurin will sich bewusst nicht festlegen (lassen), dennoch verliert sich der Streifen nicht in Beliebigkeit, ist kein wahlloser Genre-Mix. Den Alfred-Bauer-Preis als Berlinale-Bär erhielt sie zu recht für „einen Spielfilm, der neue Perspektiven der Filmkunst eröffnet“, so die Jury. Weiterlesen

Michael Hanekes großartiger Film „Happy End“ kommt in die Kinos

Mehrfach erhielt der österreichische Filmemacher Michael Haneke (75) in Cannes, auf dem wichtigsten Filmfestival der Welt, die Goldene Palme („Liebe“, „Das weiße Band“). Sein dort in diesem Frühjahr präsentierter Film „Happy End“ kommt nun bundesweit in die Kinos.

Riesige Nahaufnahmen der jungen Ève und des alten Georges, die über ihr Schuldigsein miteinander sprechen: Links das unschuldige, weiche Antlitz der dreizehnjährigen Enkelin, rechts das tief vom Leben gegerbte Gesicht ihres fünfundachtzigjährigen Großvaters. Zwischen beiden ein unscharfer Hintergrund, so unscharf wie die Geschichte des Films, die sich erst nach langer Zeit wie ein Puzzle zusammensetzt. Wie so oft reiht Haneke Episoden und Rückblenden mit harten Schnitten fragmentarisch aneinander.

Bruchstückhaft erfahren wir von den Mitgliedern der großbürgerliche Familie Laurent in Calais und ihren Beziehungen untereinander: Der des Lebens müde Patriarch Georges (Jean-Louis Trintignant) wird bald 85 Jahre alt. Die von ihm gegründete Baufirma steckt in Schwierigkeiten und soll von seiner Tochter Anne (Isabelle Huppert) verkauft werden. Die zwölfjährige Ève (Fantine Harduin), die Tochter aus erster Ehe ihres Bruders Thomas, ist soeben nach dem Tod ihrer Mutter von der Familie aufgenommen worden. Annes rebellischer Sohn Pierre (Franz Rogowski) schleppt zu einem Fest der Hautevolee eine Handvoll Flüchtlinge an und provoziert damit einen Skandal.

Pierre ist zwar das schwarze Schaf der Familie, doch nach und nach stellt sich heraus, dass in der scheinbar heilen Welt alle ihre mehr oder weniger düsteren Geheimnisse hüten. Ève vergiftete nicht nur ihr Meerschweinchen sondern möglicherweise auch ihre Mutter. Drei Jahre lang pflegte Georges seine schwerkranke Frau, bis er sie mit einem Kissen erstickte. Thomas hat trotz Frau und einem neugeborenen Kind eine leidenschaftliche Affäre mit einer Unbekannten. Anne ist heimlich mit dem Anwalt liiert, der die Firma verkaufen soll. Weiterlesen