Bilder wie Musik – Helmut Gutbrod in der Kunststation

Die dritte Herbstausstellung in der Kunststation ist dem bildenden Künstler und Musiker Helmut Gutbrod gewidmet. Es ist zwar seine Einzelschau malerischer und grafischer Werke, dennoch sind sie – unter dem Titel „Natur / Struktur“ – gemeinsam mit poetischen Skulpturen und Wandcollagen von Hannelore Weitbrecht zu sehen. In zwei Hallen werden die unterschiedlichen Werke konfrontiert, weil beide Kunstschaffende Bildwelten zur Natur formen, die in einen spannungsvollen Dialog treten. 

Jedoch erschafft die Bildhauerin ihre eigenen natürlichen Formen (wir berichteten), auch Gutbrod arbeitet im weitesten Sinne nach der Natur. Ebenfalls kreiert er keine Nachahmungen, sondern versucht die Klarheit und Kraft elementarer Formen und Strukturen einzufangen. Seine Gemälde und Drucke zeigen scheinbar Kombinationen eigenartiger Landschaften und merkwürdiger Figuren. Aber bei genauem Hinsehen entpuppen sie sich als reine Arrangements aus farbigen Flecken, verdichteten Punkten, unterschiedlichen Linien und geometrischen Gebilden.

Monika Ebertowski, Leiterin des Hauses, meint, er spiele mit Tonalitäten, Sättigungsgraden, Farbschichten und eröffne verblüffende Bezugsfelder aus strukturierten und freien Flächen: „So schafft er unterschiedliche Effekte und Temperamente, die in mir musikalische Assoziationen wecken.“ 

Diese, oft aus verschieden gestalteten Leinwänden zusammengefügten „Gemälde“, erzählen nichts, sie sind weder Abbilder noch Botschaften, sondern autonome ästhetische Gestaltungen. Schließlich ist der Künstler ebenso Musiker – und man kann seine Bildkompositionen wie Klänge wahrnehmen. Sich von ihnen verzaubern oder verstören lassen. Vor ihnen meditieren.

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Wenn Papier zu atmen beginnt – Hannelore Weitbrecht in der Kunststation

In der zweiten der drei aktuellen Herbstausstellungen in der Kunststation Kleinsassen/Rhön präsentiert Hannelore Weitbrecht ihre sinnlichen Objekte. Staunend betrachtet man feine Gebilde aus Pergament, Draht und Naturfunden, die wie eigenartige Traumwesen wirken oder bizarre Gestalten aus erdachten Landschaften. Pustet man einige an, scheinen sie sogar zu atmen. 

Die Arbeiten verwirren die Sinne – man fragt sich, ist das nun Kunst oder Natur? Aber die Künstlerin fertigt keine Nachbildungen der Pflanzenwelt, sondern erschafft sich ihren eigenen Kosmos. Sie greift Wachstumsprozesse auf – daher heißen und zeigen ihre kleinen zarten Skulpturen „Wachsen“, „Aufbruch“ oder „Aufzucht“.

Über diese und ähnliche kleinformatigen Werke hinaus entfaltet ihr Oeuvre in der Kunststation eine bemerkenswerte Vielfalt. In einer Halle errichtete sie einen größeren Garten: Papierobjekte und Zweige formen eine Wand aus „Blüten“, am Boden liegen „Blätterwirbel“ oder wachsen „Blütenstämme“, so die Titel. Die „Keime“ bilden eine zentrale Installation aus knolligen Körpern. Sie verdichten sich zur Mitte, daraus wachsen unterschiedlich hohe Triebe. Auch sie entstehen aus denselben Materialien und Techniken.

In einer anderen Halle wirken ihre sechs großen Doppelschalen und acht Gartengeräte wie schwere Holzobjekte. Doch allesamt sind diese Plastiken – insgesamt tituliert als „Ernte“ – ebenfalls leichte Skulpturen aus Papier, Draht und Farbe. Papier ist der Grundstoff fast aller ihrer Werke, gefaltet, verknittert, geknüllt wird es zum erstaunlichen Rohstoff. Die Künstlerin verwandle Papier in Seherlebnisse, so ein Kollege.

Besonders in ihren 16 „Kleingärten“ integriert die Künstlerin neben dem Papier eine Vielzahl von echten Naturmaterialien – Samenschoten, Kerne, Zweige – zu ästhetischen Verschmelzungen. In dieser Gartenkolonie aus kleineren, jeweils gleichgroßen Bildkästen verknüpft sie das Natürliche und das Kulturelle auf faszinierende Weise. 

Einer der Höhepunkte ihrer Ausstellung ist die eigenartige Wand „Pflanzenversuchsfeld“.

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„My Secret Garden“ – Kata Graál in der Kunststation

Vor einiger Zeit begannen in der Kleinsassener Kunststation die drei diesjährigen großen Herbstausstellungen. Unter dem selbst gewählten Titel „My Secret Garden“ bespielt die ungarische Künstlerin Kata Gaál in ihrer Schau einen Saal mit großformatigen Material- und Collagebildern. 

Manchmal steht ihre Welt buchstäblich auf dem Kopf. Dunkle heruntergekommene Industriekomplexe. Graue unwirtliche Stadtlandschaften. Düstere Mauern mit Graffiti. Gegen diese urbane Tristesse setzt die Künstlerin kräftige, unwirkliche Farben – und sich selbst. Denn die häufig auftauchende blonde Frau auf vielen Werken könnte sie selbst sein. Doch die etwa Vierzigjährige kreiert keine narzisstischen Selbstdarstellungen, sondern ihre einsamen oder lebhaften Aktionen vermitteln Bewegung – am Abgrund gegen den Verfall. 

Unverdrossen arbeitet Gaál hier an ihrer eigenen Welt, in „meinem geheimen Garten“, den sie auf den Objekten immer wieder der rauen Realität abtrotzt. „Der Welt kann man nicht entfliehen, aber im Rückzugsort des ‚Secret Garden‘ kann man mit Distanz klarer sehen, nachsinnen und individuelle Lösungen finden“, so Kuratorin Dr. Elisabeth Heil bei der Eröffnung.

Gaáls fast dreidimensionalen Bilder bestehen aus übereinander und nebeneinander geschichteten Stoffstücken, Textilien, gerissenen Papieren, Fotoresten und Zeichnungen auf Sperrholz. Ihre collagierten Welten muten durchaus realistisch an, doch gebrochen wird dieser Realismus oft durch gestalterische Details: Körperteile fallen aus dem Rahmen. Oder Kleider der dargestellten Frauen sind mit zahlreichen Stecknadeln gespickt. Dadurch entstehen eigenartige Linien in den Objekten und deren – mögliche! – ästhetische Gefälligkeit wird „durchstochen“.

Mit ihren gesellschaftskritischen Themen bewegt sich Gaál auf riskantem künstlerischem Terrain. Denn ihre Aussagen könnten allzu vordergründig und eindeutig werden. Ihre Bilder jedoch zeigen Spannung und Zerrissenheit, schaffen Irritationen, werfen Fragen auf – geben aber keine Antworten.

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Ein Rundgang durch die Ausstellung „Die Welt ist schön?!“

In der Kunststation Kleinsassen / Rhön ist derzeit die Ausstellung „Die Welt ist schön?!“ zu sehen. 52 Kunstschaffende widmeten sich dieser Frage mit unterschiedlichen Reaktionen und diversen künstlerischen Techniken. 

Bereits der Aufgang zu den Galerieräumen überrascht durch viele gelbe, unregelmäßig angeordnete Klebestreifen. Es ist eine Komposition, die im Dunkeln mit Schwarzlicht leuchtet, doch auch tagsüber irritiert sie die Wahrnehmung der Besucher und stimmt sie auf die Schau ein – siehe Foto oben. Denn etliche der ausgestellten Beiträge sind nicht eindeutig, sie provozieren eigene Assoziationen und entführen in neue Wirklichkeiten.

Beim Rundgang durch die Ausstellung ist die Wirkung einiger großformatiger Bilder überraschend. Größe ist zwar kein Wert an sich, doch manchmal treten einem die Werke quasi auf Augenhöhe gegenüber oder laden zum Eintauchen ein. Etwa in die riesige Ölmalerei „Sickernde Sonnenstrahlen“, in eine Landschaft, die durch das Licht eher abstrakt wirkt.

Spektakuläre, raumgreifende Installationen bilden Schwerpunkte in den Sälen – etwa das papierene Objekt „An manchen Tagen“. Düstere Wolken hängen in der Luft. Ein Stein scheint zu fallen. Durch den Raum treibt ein Wesen. Alles aus Papier mit schwarzem Graphit – man braucht Zeit, um in das Environment einzutauchen. Allmählich lässt sich nachempfinden, wie es der Künstlerin „an manchen Tagen“ geht… auch in einer schönen Welt. Am anderen Ende der Halle die eigenwillige Anordnung zweier größerer Linolschnitte mit uneindeutigen Darstellungen, die sich nur assoziativ erschließen. 

Wer länger verweilt oder wiederkehrt – kann fast übersehene, filigrane Arbeiten entdecken und berührt werden. Dazu gehören kleine, fotografisch und filmisch festgehaltene „Stillleben mit Seifenblasen“ oder „Perlen des Wassers“: Fläschchen mit Miniatur-Videos, in denen kurze Träume aufscheinen. Auch die Serie „Nester“ verzaubert – mit Objekten wie „Luxuriöses Nest“ oder „Kitschiges Nest“. Am Ende das harte, makabre „Asylnest“ aus Stacheldraht.

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Sehnsuchtsorte zum Meditieren – Jaime Sicilia in der Kunststation

Derzeit präsentiert die Kunststation drei Frühjahrsausstellungen, eine davon mit Arbeiten des spanischen Malers Jaime Sicilia unter dem Titel „Licht – Raum – Dimension“. Im großen Saal begegnet man kraftvollen Farbkompositionen: grünen, gelb-goldenen, türkisfarbenen – bis hin zu rein goldenen Öl- oder Acrylbildern auf unterschiedlichem Malgrund. Auf den ersten Blick wirken sie wie malerische Landschaften oder dramatische Naturereignisse.

Aber Sicilia arbeitet nicht nach der Natur, schafft keine Nachahmungen und abstrahiert auch nicht die vorgefundene Realität. Als Abbilder der Wirklichkeit sind seine Werke zu konstruiert, zu symmetrisch – diese Künstlichkeit irritiert, lädt jedoch zum längeren Betrachten ein.
Der kleine Saal nebenan ist ausschließlich mit überwiegend krassroten Bildkompositionen ausgefüllt. Trotz des Lichteinfalls durch zwei schmale Fenster und der strahlend weißen Wände erscheint der Raum wie eine dunkelrote Grotte. Diese traumartige Atmosphäre zieht sofort in den Bann.

Im Gespräch erzählen der Künstler und sein Berliner Galerist von magischen Momenten in der Natur, in denen Menschen gleichsam eins werden mit ihrer Umgebung. Solche Erfahrungen, so Sicilia, versucht er in seinen Arbeiten festzuhalten – damit sie von den Betrachtenden nachempfunden werden können. Man vermisst in seinen Ausstellungsräumen beinahe Meditationskissen, auf denen man länger verweilen und mit den dargestellten Sehnsuchtsorten verschmelzen könnte. Ebenfalls die romantische Trauer über das Verlorene, über einst erlebte, nun verschwundene Augenblicke, ist durch seine Werke spürbar.

Einige dieser Ölbilder nennt der Maler auf Latein „Et in Arcadia ego“, sinngemäß etwas nostalgisch: „Auch ich war in Arkadien“. Bereits in der Antike, später besonders in der Renaissance, galt das griechische Arkadien als Sinnbild eines einfachen, naturverbundenen Lebens. Bis heute steht es für eine utopische Welt des Friedens und der schlichten Schönheit – ein Ort, den wir jedoch hinter uns lassen mussten: „Er ist nunmehr ein Ort der Erinnerung und der Sehnsucht, umweht von Melancholie“, sagte Kuratorin Dr. Elisabeth Heil bei der Vernissage. „Alles hat seine Zeit, jedes Erlebnis. Arkadien – und auch die Schönheit – sind vergänglich.

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„Sich sammeln“ – Studioausstellung von Patricia Schellenberger

Die Künstlerin Patricia Schellenberger will „Sich sammeln“ in ihrer Schau – unter genau diesem Titel. Hier, im kleinen Saal der Kunststation, hat sie gesammelte Arbeiten aus den letzten Jahren zusammengetragen, etwa ihre kugelige „Brillenskulptur“ aus 734 zusammengesteckten Brillen oder „unartige Stickereien.“

Eine dieser gestickten Handarbeiten heißt und verkündet die „Vollendete Nutzlosigkeit“, stellt das Sammeln infrage und bestätigt zugleich dessen Sinn – so die Idee der Künstlerin. Zahlreiche bildnerische Notizen, Wortspiele und fixierte Ideen hat Schellenberger im Laufe der Zeit auf gleichgroßen Blättern gesammelt und zur Seite gelegt, die momentan im Studio präsentiert werden. Jetzt provozieren sie Nachdenklichkeit oder Widerspruch bei den Betrachtern: „Man muss das Lassen wollen“ oder „Zeichen tun so hilfsbereit, nehmen aber Handlungsspielraum.“

Aufgeblasene weiße Luftballons verzierte und beschrieb sie mit einem zarten Stift. Nach dem Entweichen der Luft wirken die Muster auf den schlaffen Ballons unendlich filigran. „Sie ruhen nun“, schrieb sie dazu. „Bereit aber, sich luftvoll wieder zu weiten.“

Die Künstlerin zeichnet, malt, kritzelt, gestaltet Installationen, collagiert, stickt und nutzt auch ihren eigenen Körper. Sie hat keine Berührungsängste mit profanen Materialien oder Techniken. Dabei gehen Schrift und Zeichnung ineinander über, Worte verschmelzen mit Bildern. Denn was sich nicht sagen lässt, skizziert sie. Die Arbeiten Stehen für sich und interagieren untereinander auf den Wänden.

Experimentierfreudig verknüpft sie Alltägliches mit Bildender Kunst. Sie ist eine philosophische Künstlerin, die sich oft der Sprache bedient, um deren Bedeutung mit einem Augenzwinkern wieder infrage zu stellen. Sie produziert keine abstrakt-philosophischen Ergüsse, sondern paraphrasiert ihre Worte mit Zeichnungen oder Stricheleien. Darum ist „Das Herz der Ausstellung“, wie sie sagt, die linke Stirnwand des Raumes voller Skizzen und Bilder. „Diese sensible Linie, die den weißen Raum dennoch bestimmt gestaltet, das ist für mich ein tragendes Element.“

Für die Besucher hat die Künstlerin einen Rundgang durch ihren Raum beschrieben, das Papier liegt als Kopie zum Mitnehmen bereit. Eine hilfreiche Idee, denn ihre Installation ist eine große Herausforderung für das Publikum.

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„Freiheit und Struktur“ – Hans-Hermann Hacks Malereien in der Kunststation 

Mit dem Jazz-Klassiker „Take Five“ eröffnete Saxophonistin Diana Schmitz die Vernissage der Ausstellung im Café der Kunststation und lockte dann das Publikum mit „Summertime“ ins Studio. Hans-Hermann Hack verzauberte dort die Leute mit seinen gut 20 „sommerlich“ farbfreudigen, ungegenständlichen Malereien.

Er starb vor fünf Jahren nach langer Tätigkeit als Schulleiter in Weyhers (Rhön). Darum war es berührend, dass er nun durch seine Werke im Klassenraum der einstigen Grundschule Kleinsassens präsent wurde. Die Kunststation legt Wert drauf, regionale und internationale Kunstschaffende vorzustellen.

Im kleinen Studio beziehen sich die gut kuratierten Bilder aufeinander, Farben oder Muster setzen sich in der jeweils nächsten Komposition fort. Obwohl auch mal ein blaues Gemälde krass aus der Reihe fällt. Fast unmerklich gehen die Arbeiten von völlig abstrakten Arrangements in erkennbare blütenartige Gebilde über, beinhalten dann ornamentale Formen und wirken am Ende des kleinen Rundgangs technisch und strukturiert. Deshalb heißt die Schau „Freiheit und Struktur“ – sie beinhaltet tatsächlich die ganze Bandbreite des Titels.

Der Künstler (in Hack) entwickelte sich gleichsam von selbst, er beschäftigte sich mit zeitgenössischer Kunst, war auch in der kreativen Szene Fuldas präsent und stellte gelegentlich seine Werke aus. „Er war mehr oder weniger Autodidakt“, meinte Kuratorin Dr. Elisabeth Heil in ihrer Einführung, „aber er hat nichts nachgeahmt und entfaltete seinen eigenen Stil.“ 

Mit – möglicherweise – heftigen und freien Gesten stupste, strich oder kleckste der Künstler die Farben auf den Untergrund, fügte weitere Schichten und Gebilde hinzu, um ein Gleichgewicht der Kolorierungen und Formen zu erreichen. Zuweilen malte er auch strengere geometrische Kreise oder „Räder“ auf die ersten Schichten.

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Michal Fuchs: „Die Quadratur des Kreises“

In der Kunststation Kleinsassen (bei Fulda) präsentiert derzeit die israelische Künstlerin Michal Fuchs ihre große Einzelausstellung „Die Quadratur des Kreises.“ 

Die Jury des documenta-kritischen Wettbewerbs „Make Friends AND Art“, wählte im Sommer 2023 den Beitrag der Künstlerin als beste Arbeit: Ein kleiner Sandhaufen verkörperte die palästinensische Wüste. Darüber schwebte eine riesige Kaktusfeige aus Aluminium. „Von dem Land hinab zu gehen“ hieß dieses Objekt. Fuchs wies darauf hin, dass Israelis und Palästinenser diese Pflanze metaphorisch für ihre eigene Wehrhaftigkeit beanspruchen; sie drücke den Überlebenswillen beider aus.

In ihrer Schau greift sie das Thema „Von dem Land hinab zu gehen“ erneut auf und zeigt unter anderem eine Installation mit 18 filigranen Dreimasterblumen aus Eisen, die jeweils aus Betonsockeln herauszuwachsen scheinen. In kleine Mulden um die Pflanzenstelen wird täglich Wasser eingefüllt, damit die eisernen Objekte während der Ausstellungszeit rosten. 

Die aus Mexico stammenden Blumen bilden in der Natur oft starke Wurzeln und gelten als widerstandsfähig. In der Installation sind sie einbetoniert und wirken dauerhaft gefangen. Jedoch symbolisiert der während der Ausstellung entstehende Rost nicht nur Verfall, sondern winzige „Luftwurzeln“, die für Neuanfänge stehen. So strahlt das Werk trotz seiner düsteren Anklänge Zuversicht aus. 

Gleichzeitig hat es eine weitere, bedrückendere Bedeutung: „Auf Englisch und Hebräisch heißt die Pflanze „The Wandering Jew“ („Wandernder Jude“) und verweist auf die antisemitische Legende vom „Ewigen Juden“: Er wurde von Christus bestraft und muss stets wandern, ohne Wurzeln zu schlagen: Dadurch wird er zum ewigen Migranten! Dieses Thema der Migration, Verpflanzung, Aus- und Einwanderung beschäftigt die Künstlerin in vielen ihrer Arbeiten. 

Fuchs‘ Objekte wirken faszinierend und geheimnisvoll, selbst wenn man nichts darüber weiß. Sie stehen ästhetisch zunächst für sich selbst. Zusätzliche Wandtafeln in der Ausstellung legen Spuren für eigene Interpretationen. Allerdings chiffriert die Künstlerin keine Botschaften, die es zu entschlüsseln gilt.

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Simone Distler: Gestische Malerei

In einer der drei neuen Herbstausstellungen der Kunststation in Kleinsassen/Rhön zeigt Simone Distler ihre gestischen Malereien unter dem Titel „Resonanz“. Die häufig expressiven, aber meist nicht farbkräftigen Werke – in Mischtechnik auf Leinwand – sind eigentlich abstrakte Kompositionen.

Distlers Arbeiten bilden nichts ab, sind ungegenständlich, dennoch muten viele an wie unwirtliche wilde Landschaften, vereiste weiße Felsen, schroffe Gebirge, stürmische Meere. Da lässt auch vielleicht der romantische Maler William Turner grüßen. Doch die Künstlerin malt nicht nach der Natur.

Mit mehr oder weniger ungestümen Gesten trägt sie Farben auf die Leinwände auf, es entstehen ungeplante dynamische oder ruhige Spuren und Gebilde. „Die Farbe ereignet sich“, meinte Kuratorin Elisabeth Heil in der Vernissage. Während der Arbeit fragt sich die Künstlerin immer wieder: „Will ich das so haben oder soll ich das Entstandene wieder aufbrechen.“ Sie führt gleichsam „Selbstgespräche“, so nennt sie ihren Arbeitsprozess. 

Beim Malen befindet sich Distler in einem ständigen Zustand der Resonanz auf die Eigengesetzlichkeit der Farbe: sie reagiert, schwingt mit, kommuniziert oder wehrt ab, distanziert sich, ändert. Darum bilden ihre Werke nichts Gegenständliches ab, bewahren jedoch (auch) die Emotionen der Künstlerin. Bei uns Betrachtern können sie ebenfalls Gefühle auslösen, Resonanzen, auch wir können reagieren, mitfühlen und mitschwingen.

Mehr als die Hälfte der 30 ausgestellten Werke sind „ohne Titel“, deshalb werden die Betrachter sowieso auf sich selbst und ihre Fantasien zurückgeworfen. Mitunter gibt die Malerin ihren Schöpfungen nachträglich Titel, etwa wie dem Werk „Ruhe bewahren“ auf unserer Abbildung. Das Gemälde wirkt wie eine Schnee- oder Sandlandschaft von oben. Wir können eine Insel erahnen, denn am Rand ist blaues Wasser. Etwas Düsteres, Fremdes, Unbekanntes senkt sich herab, legt sich auf ein vogelartiges oder anderes belebtes Wesen. Oder hat es bereits teilweise verschlungen. In den oberen Gebilden kann man auch kleine Monster erkennen. Irgendetwas Dramatisches scheint hier zu passieren, aber die Künstlerin rät uns: „Ruhe bewahren!“

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Eine „goldene Verbindung“ zwischen Oberitalien und der hessischen Rhön

„Una festa italiana“ in der Kunststation in Kleinsassen/Rhön. Ein Trio spielte „Cantare“, alle Leute sangen fröhlich mit. Zur Vernissage in der Studioausstellung des Künstlers Giorgio Cavina kamen 60 italienische Gäste aus seiner Heimat. Sie verbreiteten sofort südländisches Flair und steckten die zahlreichen deutschen Besucher an. Gefördert wurde dieser kulturelle Austausch – zwischen Hofbieber, zu dem Kleinsassen gehört, und Montana Acquacheta in Oberitalien – durch den Rhöner Freundeskreis Italien.

Auf den ersten Blick muten die groben farbkräftigen Malereien Cavinas irgendwie arabisch an, weil sie verhüllte, ja manchmal verschleierte Wesen zeigen. Formal erinnern sie aber auch an byzantinische Ikonenmalerei, nicht zuletzt, weil der Künstler viel Blattgold in seinen Arbeiten verwendet. „Connessione d’oro“ heißt seine Ausstellung, goldene Verbindung – und das ist tatsächlich wörtlich zu nehmen. 

Aber manche Bilder changieren auch ins Abstrakte und irritieren dadurch den Betrachter. Was zeigt denn der Künstler eigentlich wirklich, fragt man sich, und beim zweiten Blick überraschen dann die Untergründe. Cavina nutzt neben Leinwänden auch erkennbar Sperrholz oder Zementplatten für seine Bilder. Die werden nicht nur mit Ölfarbe, Blattsilber und Blattgold arrangiert, sondern auch mal mit Bitumen versehen oder durch Zeitungsschnipsel collagiert. Dadurch entstehen völlig ungegenständliche aber spannende Kompositionen. Die bedeuten gar nichts mehr, bleiben titellos und beeindrucken am meisten, weil sie starke Gefühle provozieren. 

Das ist vielleicht Geschmacksache, doch auch die verhüllten Gestalten oder die arabisch wirkenden Buchstaben sollen lediglich exotische Assoziationen wecken, sie bilden keine Wirklichkeit ab. Denn der Maler will auf diese (Gestaltungs-) Weise ausdrücklich unterschiedliche, ja einander fremde Kulturen verbinden.

Einige neuere Arbeiten mit grellroten Farben setzen sich mit den katastrophalen Unwettern auseinander, denen Cavinas Heimatregion ausgesetzt war.

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