Im Reich der Klänge und Bewegungen

Zum Ende der KulturWerk-Woche hatten das musikalische Ensemble „gem“ aus Leipzig und zeitweise drei Tänzerinnen der Gruppe „Artodance“ aus Schlüchtern „Kontakte“ (so der Titel). Sie nahmen das Publikum mit auf die Reise in ihr Reich der Klänge und Bewegungen.

Im Saal ist es lange dunkel. Plötzlich beleuchtet rötlich-lila Licht die Bühne. Zwei Musikerinnen, ein Musiker, drei Tänzerinnen erscheinen. Erst setzt die Harfe ein, dann die Bratsche und schließlich das elektronische Gerät, mit sanften, aber bizarren Tönen. Bald bewegen sich auch die Tänzerinnen ganz zart, nicht im Rhythmus, eher parallel zu den Klängen. Gemeinsam kreieren alle eine traumartige Atmosphäre. Bald werden die Darbietungen wilder, dramatischer – und enden abrupt. Erst dann werden die drei aus Leipzig angereisten vorgestellt: Harfenistin Babett Niclass, Bratschistin Neasa Ni Bhrian und der -Elektroniker Damian Ibn Salem. Mit den drei Tänzerinnen Meline Gottwald, Julie und Maren Opsahl trafen sie mittags erstmalig aufeinander und improvisierten gemeinsam.

Nach dem Vorspiel präsentiert „gem“ zunächst allein die Bandbreite ihrer experimentellen Musik. Sie beginnen mit dem Titel „Daphne“, die sich in der Mythologie auf ihrer Flucht in einen Baum verwandelt: Lautes elektronisches Geknatter. Schrille Bratschenklänge. Hohe Harfentöne. Später weinende Bratsche, klagende Harfe. Am Ende ein melodischer Ausklang. Das spiegele die persönlichen Gefühle des Ensembles zur Weltlage, meint die meist moderierende Bhrian vorab. Danach spielt sie solo – im Duett mit sich selbst vom Band – eine mal zurückhaltende, mal schrille „Etüde“.

Schließlich zelebriert das Trio „Joe“: Der Ausschnitt einer Rede Joe Bidens, in der er versehentlich Selenskyj und Putin verwechselt, wird eingespielt. Langsam zerlegt und wiederholt die Elektronik Bidens Worte, dazu quietscht die Bratsche, zetert die Harfe. Die Gruppe entfaltet behutsam ein chaotisches Klang- und Sprachgewirr, doch die Harfe wehrt sich verzweifelt mit einem Thema aus Tschaikowskys „Nussknacker“. Chaos und Harmonie entstehen parallel, verschmelzen aber im leisen Abschluss.

Bhrian erklärt vor jedem Stück nicht belehrend, was das Ensemble damit verbindet. So wird der Weg bereitet, herausfordernde oder wenig verständliche Klänge zu erfahren.

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„Fremde überall“ in Venedig

Auf der venezianischen 60. Biennale gibt es neben genähten oder bestickten Textilien, naiven Bildern wie von Kinderhand oder ornamentaler Volkskunst auch anspruchsvolle zeitgenössische Kunst. 

Das Ausstellungskonzept „Fremde überall“ passe zum zeitgeistigen Mainstream und habe etwas Anbiederndes, schrieb vorab die Neue Züricher Zeitung. Auch nach dem Beginn gab es Kritik am Konzept des brasilianischen Kurators Adriano Pedrosa, überdies antisemitische Proteste zweitklassiger Kunstschaffender. Doch anders als bei der documenta fifteen steht hier der Diskurs über aktuelle Kunst im Fokus des Festivals, das seit langem zweigeteilt ist: In vielen Hallen der Arsenale, einer steinalten Schiffswerft, und im neu grellbunt bemalten Palast in den Giardini, werden Werke präsentiert, die der Kurator zum Thema der zentralen Biennale-Ausstellung auswählte. Er lud 332 meist unbekannte Kunstschaffende ein.

Beide Orte beginnen mit spannenden Arbeiten, in den Arsenalen mit dem „Refugee Astronaut“, einer lebensgroßen, in afrikanisches Tuch gewickelte Raumfahrer-Figur. Und im Eingang mit der Lichtinstallation von Maori-Künstlerinnen, die zeitgenössische Kreationen mit regionalen Wurzeln verbinden und dafür einen Goldenen Löwen bekamen. Ansonsten schmiegen sich in den halbdunklen Hallen viele Objekte faszinierend an die verrotteten Wände, die vergitterten Fenster und die maschinellen Überbleibsel der einstigen Werft. Zwischen Kitsch, Kunstgewerbe und Folklore überraschen faszinierende Wandteppiche mit surrealen Motiven oder riesige traditionelle Farbscherenschnitte mit sexuellen Motiven. In der zentralen Schau in den Giardini empfängt uns ein Nomadenzelt, eine Zuflucht und doch ein Gefängnis für Frauen. Es folgen faszinierende Malereien einer Outsider-Künstlerin. Andere Bilder werfen Fragen auf: Hat Picasso sie abgeguckt oder ahmen die Enkel lokaler Künstler im globalen Süden ihn nach?

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Das Festival „artkin groove“ des Kollektivs Mania

Inmitten des Aufeinandertreffens von Natur, Bildender Kunst, Musik und wenig Regen – im „Botanischen Garten“ in Steinau-Seidenroth – erlebte das Publikum zwei Tage lang ein großartiges abwechslungsreiches Festival.

Etwa einhundert „Suchende“ waren ständig an diesem magischen Ort im „Botanischen Garten“ präsent und befanden sich in einer anderen Welt. Der Höhepunkt des ersten Tages war sicherlich der Auftritt der legendären Psychedelic-Rockband „Embryo“, die mindestens drei Generationen anlockte.


Unterhalb einer Blumentreppe lag ein riesiger, etwas angeschlagener „Schlüsselanhänger“, so groß, wie das Erschrecken, wenn man seinen verlorenen Schlüssel sucht. Vielleicht wuchs er aber auch zu einem autonomen Wesen, das sich davonmachen wollte. Der kräftige Wind wehte durch die Lamettahaare eines Monsters, das vor einem, drohend wirkenden Baum in einem Käfig steckte. Eine künstliche Mauer trennte und verband zugleich das Wohnhaus mit dem Garten. In der nahen Halle zeigte eine chinesische Künstlerin ein Video, das den unglaublichen mechanischen Gruppendrill tanzender Kinder entlarvte. Die krassen Bewegungen der kleinen Tanzmaschinen unterlegte sie mit Knattern, Rattern, Quietschen und anderen unerbittlichen Industriegeräuschen.

Das Festival des Kollektivs Mania realisierte kein Museum im Grünen, keine luftige Konzerthalle im Freien. Einerseits waren die Kunstwerke, Performances und Filme das Thema der Auseinandersetzung mit der Natur, andererseits jedoch das Medium zur Begegnung und Kommunikation der Gäste. Selten erlebte der Verfasser dieser Zeilen so viele freundliche Kontakte mit „Fremden“. Erstaunlich die große Vielfalt, der von den zwei Kuratorinnen Melika Moazeni und Ines Schäfer ausgesuchten Objekte und Darbietungen.

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Biennale-Tagebuch (1)

Die 60. Biennale in Venedig ist eröffnet. Vor dem, gar nicht erst eröffneten israelischen Pavillon, randalierten und grölten hasserfüllte Hamas-Anhänger.  Ansonsten hält sich der organisierte Antisemitismus in Grenzen, denn die Boykottbewegung (BDS) gegen Israel und jüdische Kunstschaffende, konnte sich in Venedig nicht durchsetzen. Im Gegensatz zur letzten documenta ist es nach einer Woche recht friedlich.

Das große Ausstellungsgebäude in den Giardini ist bunt und wild von einer indigenen Gruppe bemalt worden, die kein Geheimnis daraus macht, dass alle bei der Gestaltung ziemlich bekifft waren. Ansonsten rappelt, kracht und bimmelt es überall, die Atmosphäre ist laut und schrill. Es wird viel getanzt oder Theater gespielt, die Grenzen zwischen Performance und Leben verschwimmen. Getrommel und Gerüche betören die Sinne… Trotz der finsteren Zeiten in denen wir derzeit leben, ist die aktuelle Biennale ein buntes, vielfältiges und fröhliches Kaleidoskop.

Wie immer in den letzten Jahren, wollten wir zur Vorabschau für Journalisten und VIPs und danach zur Eröffnung der Biennale anreisen, aber aufgrund eines Unfalls mussten wir unsere Reise verschieben. Auch wenn wir – zunächst – nicht selber in die Giardini und in das Arsenale kommen konnten, kommentieren wir die Eröffnung und formulieren erste Eindrücke aufgrund der Berichterstattung in den deutschen Medien.

Seit vielen Jahren ist die Kunst-Biennale zweigeteilt:

In eigenen Pavillons im Giardini stellen etliche Länder ihre Kunstschaffenden vor. Im Arsenale, der gigantischen alten Schiffswerft, sind einige Länder temporär vertreten. Hier wurde in der Vergangenheit großartige zeitgenössische Kunst – oft beliebig – präsentiert, die Kuratoren wählten, wenn überhaupt, die Themen ihrer Projekte selber.

Im großen Palast in den Giardini und in vielen, vielen Hallen der Arsenale werden seit jeher Kunstwerke präsentiert, die vom jeweiligen Kurator zum – von ihm gewählten Thema der Biennale – ausgewählt wurden.

Auf dem letzten Kunstfestival vor zwei Jahren hieß es „The milk of Dreams“ der Kuratorin Cecilia Alemani. In diesem Jahr postulierte der brasilianische Ausstellungsmacher Adriano Pedrosa „Fremde überall“. Er lud 332 Ausstellende ein, die im Westen weitgehend unbekannt sind und meist noch nie auf der venezianischen Biennale vertreten waren.

Mit seinen ausgesuchten Werken von Fremden, Queeren, Indigenen und Außenseitern setzt Pedrosa die Konzeption der letzten Biennale fort. Damals hatte Alemani viele vergessene oder nicht beachtete Künstlerinnen ausgegraben und vorgestellt.

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Ein Kunstausflug in die Rhön

Mit den Worten, die Karwoche habe nur sieben Tage, die Kleinsassener „Ka“-Woche dagegen acht, begrüßte Bürgermeister Marcus Röder gewohnt humorvoll die Gäste: „Kreativität. Kunst. Klüber. Kuchen. Kabarett. Kunststation…“, zählte er deren „Ka“-Besonderheiten auf.

Kreisbeigeordneter Hermann Müller bedankte sich bei den Bewohnern, dass sie ihre Höfe, Scheunen und Garagen erneut für die Kunstschaffenden öffneten. Denn neben dem Eingang zur „Schnipselkunst“ im Schober Vey, steht ein Trecker hinter dem Absperrband. Beim Brunnen auf der Hauptstraße zeigt Evelin Gabler-Labendsch exotische Ölbilder eines Elefanten oder einer schwarzen Prinzessin. An den reichlich vorhandenen, aber höchst diversen Schmuckboxen, drängeln sich die Besucherinnen. Überall vor und in den Scheunen, sowie an vielen Ständen wird geformt, gehämmert, modelliert und mit sonstigen künstlerischen Mitteln experimentiert. Dazwischen läuft die üppige Kunstfigur „Silver-Green-Spacewoman“ herum (Karin Reichardt) und sucht in der Walking-Performance neue Männer für ihren Planeten. 

Auf der Kunstwiese drechselt Michael Sauer in einer Wolke aus Spänen, während „Nordmann74“ große holzgerahmte Spiegel präsentiert und die Funktion seiner Feuerschalen erklärt. Beide sind neu hier und freuen sich bereits früh über die Resonanz der Besucherinnen und Besucher. Erstmals mit dabei – in der Garage Zentgraf – sind auch Martina Theisen und Wolf Mihm mit ihren Arbeiten, die Künstlerin erstellt auf Wunsch skurrile Porträts. 

Die Webers bieten Holzskulpturen mit farbig verglasten Öffnungen an, durch die sanft das Licht scheint. Susann Weber trägt mit Henna auf die Haut ihrer Kunden wasserfeste Tattoos auf, von denen besonders Kinder begeistert sind. Kleine realistische Glasfiguren zeigt Gabriele Mezger, Marie-Luise Brandhorst fröhliche bunte Gartenkeramik und Nicola Schellhammer rustikale Objekte und Schmuck aus recyceltem Material. 

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Humor kommt nicht zu kurz…

Die Kleinsassener Kunstwoche in der Rhön findet aufgrund der Unwägbarkeiten durch Corona auch in diesem Jahr nicht statt. Deshalb wurde das Projekt der Kunstgärten wieder aufgegriffen, mit 37 Skulpturen ist es – im Rahmen des Kultursommers Main-Kinzig-Fulda – eine große Attraktion für das Malerdorf.

Viele der Kunstwerke schmiegen sich in die Gärten oder an die Ränder der Rhöner Wildnis, als wären sie hier schon immer gewesen: Über dem murmelnden Bach in der Ortsmitte schwankt „Der Veränderer“ im Wind, ein von einem Baum hängender Stahlstern mit bunten Kugeln. Das Paar aus Bronze umklammert sich vor einem Hauseingang und fühlt sich „Geborgen“. Am Dorfrand blöken echte Rhönschafe den Besucher eines lebensgroßen „Weiblichen Torsos“ aus Beton an. Dagegen lagern auf einer kleinen Wiese mehrere große Felsbrocken, aus denen steinerne Schafsköpfe herausgucken. Große rostige Stahlbänder verschlingen sich zu einem „Tanz 1“. Ein mit Sägen und weiteren Werkzeugen gespickter Baumstumpf verweist als „RauB-Bau“ auf den Klimawandel.

Sonja Reith hat in dem von ihr organisierten Projekt sehr unterschiedliche plastische Arbeiten zusammengetragen und viele dazu passende Orte gefunden. Bei den realistischen, abstrahierten oder konkreten Skulpturen kommt auch der Humor nicht zu kurz: In einem Vorgarten vergnügen sich kleine, grell bemalte „Gute Laune Mädels“ aus Beton. „Der Sternengrabscher“, ein schwarzes zweidimensionales Eisenmännchen, greift nach den Gestirnen. „Der Rhönschäfer mit Herde“, eine grobe, mit der Kettensäge zugerichtete hölzerne Werkgruppe, steht unter einem Baum. Bildhauer Elmar Baumgarten reimte dazu: „Der Schäfer steht im Zwetschgenbaum. Man sieht ihn vor lauter Zwetschgen kaum. Die Herde ist ihm einerlei.
Von den Zwetschgen gibt’s die Scheißerei!“

Zu den ständigen Austellern und Ausstellerinnen der Kunstwoche, lud Organisatorin Reith auch Gäste wie Baumgarten ein, der noch zwei weitere Holzplastiken mit passenden Versen beisteuerte. Alexander Litwinow intallierte mehrere Recycling-Figuren aus Metall, etwa den „Begeisterten Lauf“ am Ortsende von Kleinsassen. Oder Sabine Lehrich platzierte ihre luftigen Drahtgebilde, „Die Sitzende und die Tänzerin“, in der Nahe der Kunststation. Die Eingeladenen erweitern die Vielfalt und Qualität dieses Projekts beträchtlich. 

Auf den Wegen im Dorf warten auch drei afrikanisch wirkende Skulpturen von einem Gast, etwa die Frauenfigur „Still waiting“ aus weichem Serpentingestein. Bevor sich Proteste gegen die „kulturelle Aneignung“ aus der identitären Ecke erheben: der Bildhauer ist Afrikaner. Und um Kritik aus der anderen Richtung zu vermeiden: Wimbai Ngoma ist kein Flüchtling, sondern ein international arbeitender Künstler aus Simbabwe.

Auch der Skulpturengarten um die Kunststation – mit dem neuen Werk „Kosmisches Wurmloch“ aus Steinen – ist Teil des Parcours.

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Christo – viel, viel mehr als ein Verpackungskünstler (2)

Im Berliner Palais Populaire begann die Ausstellung der von Christo & Jeanne-Claude realisierten „Projekte 1963 – 2020“. Die Schau gibt mit Skizzen und Collagen einen umfassenden Überblick zum Gesamtwerk des Künstlerduos.

Nach dem Reichstagsprojekt erklärten Christo & Jeanne-Claude, sie wollten zukünftig nichts mehr verhüllen. Das hielten sie zwar nicht durch, ohne die 2009 verstorbene Jeanne-Claude plante und verschob Christo in diesem Jahr die Verhüllung des L’Arc de Triomphe in Paris auf 2021. Aber die kümmerliche Reduzierung der beiden auf „Verpackungskünstler“ ist unsinnig, weil sie die von ihnen ausgewählten Objekte – seien es nun Bauwerke, Felsküsten oder Bäume – nicht verhüllten um sie unsichtbar zu machen, sondern um dadurch zeitweilige Riesen-Skulpturen zu erschaffen.

Zugleich verwirklichten die beiden auch andere beeindruckende Großprojekte durch Eingriffe in die Natur ohne sie zu verpacken. Etwa die Installation eines riesigen Vorhangs in einer amerikanischen Landschaft („Valley Curtain 1970/72“), die Umrandung einer Insel bei Florida („Surrounded Islands 1980/83“) oder das Projekt von über 4000 zeitgleich aufgestellten Schirmen in Japan und Kalifornien („The Umbrellas 1984/91“). Bei diesen Gestaltungen der Landschaften gingen Natur und Kunst immer eine vorübergehende Liaison ein:

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Valley Curtain 1970/72“ 

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Kunst und Spiel in Kleinsassen

Zum 40. Geburtstag lädt die Kunststation Kleinsassen mit ihrer Ausstellung „KunstSpieleKunst“ das Publikum zum Mitmachen ein. Während das Spielen mit Kunstwerken gewöhnlich streng tabuisiert ist, wird es hier in den nächsten Monaten ausdrücklich erwünscht sein.

Bereits vor dem Kunsthaus empfängt die Besucherinnen und Besucher die Skulptur „Promenade der Elementarteile“, in der etwa eine gelbe eiserne Sonne oder ein blaues Eisenherz vom Wind bewegt werden. Sind die Böen aus der Rhön zu schwach um die Figuren zu drehen, kann das Publikum die Elemente selbst in Bewegung setzen.

Zunächst fallen beim folgenden Streifzug durch die Ausstellung natürlich als erstes solch spektakuläre Mitspielobjekte auf: Das Fahrrad, mit dem seine Benutzer eine riesige Maske wachsen lassen können oder eine mächtige Klangskulptur, die ständig von Leuten mit einer Vielzahl von Schlagwerkzeugen beklopft und erkundet wird. Zu einem sanften Klangteppich vom Band im Hintergrund entstehen so häufig ungeplante musikalische Performances.

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Das sensationellste Kunstwerk ist zweifellos der gigantische atmende Zylinderballon „transForm“ in der großen Halle: Mal hängt die silbrige Hülle halbschlaff von der Decke, dann bläst sie sich parallel zum Dachbalken wieder auf: Es wechseln Prallheit und Erschlaffung, Fülle und Leere, Kraft und Schwäche: „So werden auch emotionale Situationen allegorisiert“, sagt Künstler Ambech über seine Arbeit. Weiterlesen

Der „unwägbare Rest“ – Streifzüge auf der 58. Biennale (Schluss)

Shakuntala Kulkarni hat schwer aussehende Drahtkörper gefertigt und sich, eingezwängt in die Rüstungen, an belebten Orten ihrer indischen Heimat präsentiert. „Of Bodies, Armour and Cages“ heißt die Serie (2010-2012).

Diese Aktionen seien ihr nicht leicht gefallen, meint sie, denn sie habe vorher noch nie Performances gemacht und sei bisher immer hinter ihre Werke zurückgetreten. Von diesen Auftritten, die von der (männlichen) Bevölkerung oft nicht begeistert aufgenommen wurden, zeigt sie im indischen Pavillon spannende Fotos sowie die genutzten Harnische. Diese zunächst so massiv wirkenden Hüllen sind aus leichtem Bambus und könnten weibliche Rollenzuschreibungen oder Schutz gegen männliche Übergriffe symbolisieren.

wpo-Biennale-3-2.jpgWir kommen in unserem letzten Text also noch einmal auf Arbeiten zurück, die auf der Biennale gezeigt werden und trotz ihrer „Privatheit“ politisch, vor allem aber eigenständige Kunstwerke sind.

Der österreichische Pavillon wird zum ersten Mal alleine von einer Frau gestaltet: Renate Bertlmann, schon früh bekannt als feministische Performerin, hat streng geometrisch auf 312 spitzen Floretten Rosen aus venezianischem Muranoglas drapiert. Ihre „Ästhetik des Riskanten“, so die Kuratorin, hält Kampf und Anmut, Verlockung und Abwehr in der Schwebe:

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Das Private und die Frauenkunst… Weitere Streifzüge auf der 58. Biennale (2)

Zunächst einmal etwas Sinnliches über den isländischen Pavillon: Abseits von Gardini und Arsenale sind wir in eine langgezogene farbenfrohe Kuschelhöhle eingetaucht und haben uns zu psychedelischer Musik einfach nur wohlgefühlt.

Aber „Wohlgefühl“ reicht vielen Kritikern der Biennale natürlich nicht bei ihrer Kontrolle der Kunst, die nun auch noch von einer Frau produziert wurde…

„Von wegen politisch…“, fragten wir im ersten Text über unsere Rundgänge auf der 58. Biennale in Venedig. Wir wunderten uns über das seltsame Kunstverständnis, das häufig zunächst nach der politischen Bedeutung, nicht aber der Ästhetik und künstlerischen Qualität der diskutierten Arbeiten fragte. Dagegen überrascht uns, dass das Politische an scheinbar privaten Werken kaum wahrgenommen wird: kl Biennale 2-4.jpg

Eine junge Japanerin, die bunt bemalte Beinprothesen trägt, sitzt zum Interview im Pressezentrum. In der Ausstellung „May You Live in Interesting Times“ ist sie, Mari Katayama, zweimal mit inszenierten Fotografien vertreten. Entweder ist sie selbst als Performerin oder als Teil ihrer Artefakte zu sehen: sie tritt nicht hinter die Werke zurück.Ganz in der Tradition der Performance und Body-Art zelebriert sie auf radikal künstlerische Weise die Ästhetik des Andersseins: Ihre Diversität ist nicht länger private „Behinderung“ sondern politische – aber nicht plakative – Aussage über den Zustand und die Möglichkeiten unserer normierten Gesellschaft!

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