„Die Ironie des Lebens“

„Es sind gute Monate geworden“, sagt Corinna Harfouch am Ende des Films, in ihrer Rolle als sterbende Eva. Ja, auch „Die Ironie des Lebens“ ist ein guter deutscher Film geworden, ein mutiger Seiltanz zwischen Comedy, Sex im Alter, Sterben und Beziehungsdramen. 

Auf der Bühne macht der sehr erfolgreiche ältere Comedian Edgar (Uwe Ochsenknecht) üble Witze auf Kosten seiner Exfrau, die er vor vielen Jahren mit zwei kleinen Kindern verlassen hat. „Was ist das Schönste an der Ehe?“, fragt er ins Publikum. „Die Scheidung“ schallt es aus dem Saal. Doch in der Pause steht plötzlich, nach 25 Jahren, die von ihm geschiedene Frau Eva in seiner Garderobe und berichtet, dass sie schwer an Krebs erkrankt sei und keine Chemo, keine Bestrahlung wolle: „Ich möchte noch ein paar gute Monate haben“, sagt sie und verschwindet schnell, weil sie meint, der Besuch sei wohl doch keine so gute Idee gewesen. 

Im Bademantel und Schlappen folgt Edgar ihr bis in den Bus, versucht Eva dort weis zu machen, dass man gegen ihre Krankheit bestimmt was tun könne, er hätte gute Beziehungen und viel Geld um ihr zu helfen. Doch sie will keine Hilfe annehmen, weißt empört seine Unterstützung als Narzissmus zurück. Der Comedian ist trotz seiner Erfolge eigentlich ein einsamer Mensch, trinkt zu viel, hat gelegentlich Sex mit Groupies, liebt aber nur seinen Hund. Deshalb überrascht es nicht, dass er sich als Retter wieder seiner Frau annähern will – und auch zum ersten Mal seine Tochter trifft, die selber Comedy bei YouTube macht. 

Überraschend (auch für uns) lädt der Komiker die Exfrau zum legendären Comedy-Ball in München ein – die beiden tanzen miteinander, vergnügen sich, trinken reichlich Alkohol und singen nachts im leeren Tanzsaal den alten Song der „Ton-Steine-Scherben“: „Halt Dich an Deiner Liebe fest“. Und natürlich landen die beiden, fast 70-jährigen im Bett und probieren lachend Sex im Alter. Edgar sagt alle Konzerte und Interviews ab, widmet sich ganz Eva, beide haben wunderbare Tage – doch sie will immer noch keine Behandlung.

Als sie sich eines nachts stundenlang vor Schmerzen windet, aber keinen Arzt empfangen will, brüllt Edgar: „Dann stirb doch. Aber ohne mich!“ und verschwindet.

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„The Palace“ – Roman Polanskis Film im Kino

Peinlich berührt verdammt die Filmkritik unisono Roman Polanskis letzten Film, seine groteske Burleske „The Palace“ (2023), die nun auch hier in die Kinos kommt. Dabei wird von einigen Kritikastern „Altherrenhumor“ als neues cineastisches K.-o.-Kriterium eingeführt. Wir wissen zwar nicht, was bei TicToc und Instagram als jugendfrischer oder feministischer Humor daherkommt. Aber so schlimm ist diese Komödie wirklich nicht, denn unverfroren haut der neunzigjährige Regisseur der älteren Hautevolee im Film, lustvoll deren Dekadenz und Protzerei um die Ohren.

In der Millennium-Silvesternacht 2000 versammeln sich Superreiche, Pornostars, zwielichtige Russen und anderes aufgeblasenes Volk im schweizerischen Nobelhotel Palace. „12 Stunden bleiben uns“, verkündet morgens der Hotelchef (Oliver Masucci) seinem Personal und wird fortan selbst durch den Film gejagt, um zahlreiche Schwierigkeiten mit absonderlichen Gästen zu lösen. Etwa einen, als Geschenk angelieferten Pinguin seiner Empfängerin anzuvertrauen.

Champagner fließt in Strömen, unaufhörlich wird Kaviar gereicht. Eine französische Diva (Fanny Ardant) füttert mit dem Fischrogen ihren Hund, der daraufhin das Bett vollkackt. Der nun hinzugezogene Schönheitschirurg, eigentlich mit seiner Geliebten inkognito im Hotel, muss jetzt den Hund und dessen Frauchen behandeln. Zahlreiche von ihm verschönerte Damen erkennen und umschwärmen ihn.

Überaus dominant ist Bill Crush (Mickey Rourke), er hat zwar vergessen zu reservieren, doch sein Kampf ums Zimmer, einen Restauranttisch oder Bewunderung zieht sich als Running Gag durch die Silvesternacht. Eine arme tschechische Familie taucht im Palace auf und behauptet mit ihm verwandt zu sein. Der vermutliche Vater flippt aus, doch der Hotelchef kümmert sich rührend um die Angereisten. Mit einem braven Bankangestellten (Milan Peschel) bereitet Crush einen internationalen Millenniumsbetrug vor, doch sein Helfer wird zunehmend betrunkener und von jungen russischen Damen verführt, die ihn „niedlich“ finden.

Die wiederum gehören zu einer obskuren Delegation von Halunken, die mehrere Geldkoffer im alten Hotel-Safe verstecken…

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Ein Wetzstein des Geistes? Jürgen von der Lippe in Fulda

 

Jürgen von der Lippe war zu Gast in der ausverkauften Orangerie und amüsierte sein Publikum glänzend mit einem Feuerwerk von intelligenten Witzen, derbem Klamauk, schrägen Gesängen und fröhlichen Kinderspielen.

Wie schafft dieser dicke Mann es nur, ästhetischer Feingeist und dann unflätiges Ferkel zu sein, einen oberlehrerhaften Schlaumeier und bald darauf den herzlichen Spaßmacher zu geben? Egal was er, gekleidet mit wechselnden Hawaiihemden, auf der Bühne darbietet, das Publikum hängt ihm an den Lippen. Und was für eine freche Lippe riskiert er im katholischen Fulda: „Ich habe ja mit der schützenden Hand der Kirche am Genital pubertiert“, erklärt der einstige Messdiener zu Beginn.

„Lippe ist der Wetzstein des Geistes“, hieß es schon beim Dichter Ernst Moritz Arndt im 18. Jahrhundert. Dieser Einschätzung macht das Multitalent Jürgen Dohrenkamp alle Ehre: Damit die Journalisten mit seinem Künstlernamen Wortspiele bilden könnten, habe er sich von der Lippe genannt. So, das waren die Wortspiele, kommen wir nun zur Show.

Ziemlich schnell beschäftigt sich von der Lippe, scheinbar aus dem Stegreif, mit den aktuellen Ereignissen in Amerika: „Ach der Arme…“ Trump habe doch nur diese unsäglich Pfiffi-Frisur, um Mitleid bei den Frauen zu wecken. „Aber es ist schon ganz gut, nicht noch so eine Regierungspräsidentin im Hosenanzug sehen zu müssen.“

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Finanzkabarett – Chin Meyer in Ost-Hessen

Die Vorankündigung des Finanzkabarettisten Chin Meyer in der osthessischen Presse war so verlockend wie amtliche Erläuterungen zur Vergnügungssteuer. Dazu Dauerregen und Kälte – beste Voraussetzungen für einen miesen Abend im KuKi-Zelt in Schlüchtern.

Der begann mit der Suche des Steuerfahnders Siegmund von Treiber im Zuschauerraum nach alten Kunden. „Ich kenne Sie doch alle!“, bellte er zur Begrüßung und ereiferte sich, „mich nervt das Gejammer der Steuerzahler.“ Atemlos ratterte er alle deutschen Abgaben herunter, die doch wirklich so leicht zu verstehen seien. Dann machte er sich über Steuerbetrüger wie Passivraucher her oder pries Kettenraucher, die in ihrem kurzen Leben 17 Kindertagesstätten förderten.

Nach unterhaltsamen zwanzig Minuten trat Treiber ab und machte Platz für Meyer. Der Finanzkabarettist schwadronierte nun über Reichmacher wie Erben oder Zinsen. Doch immerzu schweifte er ab und stellte absonderliche wirtschaftliche und politische Zusammenhänge her. Durch Autos würden in Deutschland mehr Menschen getötet als durch Islamisten, betriebswirtschaftlich sei das für Al-Qaida ein Unding. Die Terroristen sollten das durchrechnen und dem ADAC beitreten („Freie Fahrt für freie Bürger!“), statt mit Äxten durch Züge zu rennen. Für Schönheits-OPs und Viagra würde mehr Geld ausgegeben als für Alzheimerforschung. „Nun hängen die im Altersheim mit Silikonbrüsten und Dauerständern herum und wissen nicht, was sie damit machen sollen.“

Beharrlich forderte Meyer die neoliberale Ökonomisierung und effizientere Gestaltung aller Lebensbereiche. Vehement stritt er sich häufig (nach kurzer Verwandlung im Off) mit dem Steuerfahnder, ließ den amerikanischen Finanzberater Jack zu Wort kommen oder trällerte und verfremdete bekannte Pop Songs wie Tina Turners Private Dancer: „Ich bin Privat Banker, ich verzock’ Deine Kohle im nu, ah-hu, ah-hu…“

Ein Höhepunkt des Abends… Weiterlesen

Das schräge A-capella-Quartett LaLeLu feiert Jubiläum

 

Mit ihrer furiosen Geburtstags-Show „20 Jahre“ waren LaLeLu im Kultursommer des Main-Kinzig-Kreises in Schlüchtern zu Gast:

Sehnsuchtsvoll im gebrochenen Deutsch säuselte der spanische Sänger Iglisias (Jan Melzer) von den Fahrkünsten seiner Geliebten. Dagegen kreischte dann Mandy, eine sächsische Flamenco-Sängerin (Sanna Nyman), „Bockwurscht allemania / statt spanisch Gamba!“ Für ihre Parodien nutzten die Musiker nur wenige Requisiten – mal eine Sonnenbrille, mal eine Perücke oder einen Hut – und vertrauten ganz ihren Stimmen und mimischen Talenten. Die einzigen Instrumente waren einmal iberische Kastagnetten, alle anderen Töne produzierten die vier Entertainer meist lautmalerisch selbst. Schon bei der ersten Darbietung, einem Jazzstück Glen Millers, suchte man vergebens den – Trompete, Bass und Schlagwerk produzierenden – Synthesizer.

Als „veganes Orchester unter Leitung von Ferdinand Hirse“ präsentierte die Combo eine „Ode an den Grünkernflieger“: „Flieg, Bratling, flieg /in blaue Fernen/ bis zu den Sternen“ zu Klängen von Johannes Brahms. Peter Maffays „Es war Sommer“ wurde kunstvoll dargeboten, authentisch mit rollendem R wie vom Meister selbst. Doch anschließend analysierte und sezierte Tobias Hanf als Musikwissenschaftler ernsthaft die Liedzeilen Maffays so hochelaboriert, dass die Zuschauer vor Lachen fast unter den Stühlen lagen.

Die absonderliche Comedy-Gruppe ist nicht nur komisch sondern musikalisch und schauspielerisch unglaublich versiert, dazu intelligent, spontan und abwechslungsreich. Die Musiker ließen als Stimmenimitatoren zwei Dutzend lebende und tote Prominente im Zelt erscheinen oder saßen mit ihren Reisekoffern auf der Bühne und klopften, trommelten oder kratzten damit einen wilden Rhythmus. Nach der Befragung einer Frau namens Babs aus dem Publikum, schuf das Ensemble aus deren Antworten ein spontanes Liebeslied. Zwischen den kuriosen Darbietungen gab es wenige, einfach nur schöne klassische A-capella-Gesänge: „If I fall in love with you.“ Weiterlesen