Die Transformation Pink Floyds

Das Ensemble Echoes verwandelte am Sonntagabend, mit seinen eigenartig interpretierten Stücken der sagenhaften Band Pink Floyd, die Orangerie in einen Konzertsaal. Auf ihrer Akustiktour nutzt die Gruppe keine elektrischen Instrumente, keine Synthesizer, wohl aber Mikrofone und Verstärker.

Aus dem Bühnennebel ertönt zarte Glasmusik, behutsam setzt eine Klarinette ein, es wird heller. Langsam, äußerst langsam entwickelt sich das Intro. Hohe Gitarrenklänge, dann ganz zart das Klavier. Schließlich erdröhnt satt das Schlagzeug, die Klänge werden voluminöser, nun setzt der Gesang ein: „Remember when you were young / You shone like the Sun. / Shine on you crazy diamond…”

„Erinnere dich als du jung warst“ – aber gleich der erste Song macht auch deutlich, hier wird keine Nostalgie zelebriert, sondern die Echoes transformieren Pink Floyd gleichsam in die Gegenwart. Weitere, eher rockige Titel der Platte „Wish You Were Here“ (1975) mit kräftigen Saxophonklängen folgen, die Sängerin kommt dazu. In der fast ausverkauften Halle entflammt die Band sofort das mitklatschende Publikum. Bald gesellt sich auch das weibliche Streichquartett zu den Musikern, beim Song „Welcome to the Machine“ treibt es mit Geigen und dem markanten Cello den Rhythmus von Bass und Schlagzeug voran. In späteren Stücken unterstützen sie auch mit hohen schrillen Streichtönen die Gitarren, niemals werden sie süßlich.

Vor der Pause erklingt der zwanzigminütige Song „Echoes“, nach dem sich die Gruppe benannte. Das programmatische Werk markierte 1971 den Übergang Pink Floyds, die Entwicklung von Psychedelic- zu Art- und Progressive-Rock. Auch die Interpretation in der Orangerie folgt dem vielschichtigen Aufbau des Originals, der ganzen Spannweite von sanften Klängen, rockiger Musik über heulende, sirrende, atonale Geräusche bis zu Anklängen Neuer Musik: „…And no one sings me lullabies / And no one makes me close my eyes…“

Nach der Pause sind Songs von den Platten „The Dark Side oft he Moon“ (1973) und „The Wall“ (1979) zu hören: „Hey, teacher, leave us kids alone“, singt das Publikum feste mit. Es ist erstaunlich, wie abwechslungsreich und vielschichtig die Echoes mit Titeln von nur drei Platten aus dem 1970er-Jahren, die zweieinhalb Stunden des Abends gestalten. Rockige, manchmal angejazzte Tanzstücke, dann wieder komplexe, achtsam aufgebaute – vom Pathos Pink Floyds befreite – Musikdramen.

Weiterlesen

Die Tourjahre der Beatles – kein platter Fan-Film, aber auch keine Analyse…

Von Hanswerner Kruse (dessen Eltern vor über 50 Jahren fragten, „Wovon sollen die Beatles denn leben, wenn sie alt sind?“)

Die Beatles gaben vor fünfzig Jahren ihr letztes Live-Konzert, nachdem sie in nur vier Jahren von unbekannten Liverpooler Musikern zu Weltstars wurden. Nun kommt ein Dokumentarfilm über die Beatband in die Kinos, der sich auf ihre Tourjahre von 1962 bis 1966 konzentriert. In der Zeit gaben sie über 800 Konzerte.

Es waren heute unvorstellbar spießige Zeiten in den frühen 1960er-Jahren. Die Beatles waren um die zwanzig und spielten täglich bis zu acht Stunden im Hamburger Star Club: „Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!“, hieß es damals. 1962 schaffte es ihre erste Single „Love me do“ in die Hitparaden, dann begann das, was man „Beatlemania“ nannte. Vier Jahre lang kreischten weltweit in immer größeren Konzertsälen (meist) die Mädchen so laut, dass die von den Beatles dargebotenen Songs nicht zu verstehen waren. Sie spielten auf klitzekleinen Anlagen, die heute wohl kein Musiklehrer mehr im Klassenzimmer akzeptieren würde. Monitore gab es nicht, Drummer Ringo erzählt, er habe häufig nach den Bewegungen der Gitarristen getrommelt.

Der Dokumentarfilm zeigt mit sehr viel neuen, aufwändig nachbearbeiteten Amateur- und TV-Aufnahmen die Tourneen der Band mit Backstage-Gesprächen und Interviews. Es fühlt sich im Kino an, als sei man selbst mit den vier Musikern unterwegs gewesen. Regisseur Ron Howard („The Da Vinci Code“) wollte diese „intime Atmosphäre“, vor allem aber wollte er deutlich machen „welchem unfassbaren Irrsinn diese Jungs ausgesetzt waren.“

Den genossen die Beatles kaum, wie ihre damaligen und späteren Aussagen immer wieder deutlich machten. Sie fühlten sich ausgebrannt und klagten, es ginge überhaupt nicht um ihre Musik. aktuell wurden Ringo Star und Paul Mc Cartney ausgiebig für diesen Film interviewt, auch einige Weggefährten kommen zu Wort. Jedoch die gesellschaftlichen Bedingungen des „Irrsinns“ und Gründe für die Entwicklung der neuen Jugendkultur bleiben im Film äußerst vage, obwohl Howard sie eigentlich deutlich machen wollte.

Aber sensationell und kaum bekannt ist die eindeutig anti-rassistische Haltung der Gruppe während ihrer zweiten USA-Tournee (1964), mitten im Kampf der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Inzwischen war der Andrang bei den Auftritten so groß, dass sie in riesigen Konzerthäusern oder Stadien spielen mussten. Die Gruppe weigerte sich… Weiterlesen

Guildo Horn rockt Osthessen

Beatmusik statt Schlager / als Moderation blödes Gelaber

Guildo Horn schaffte es mit seiner Gesangsdarbietung „Guildo hat euch lieb“, vor gut zwanzig Jahren beim European Song Contest, auf den siebten Platz. Danach wurde es stiller um ihn, doch eine kleine Fangemeinde vergaß ihn nie. Am Wochenende trat er mit seiner Gruppe „Die Orthopädischen Strümpfe“ in Schlüchtern auf.

Tick-tick-tick! Rums! Rums! Schwere Gitarren-Riffs, dröhnende Bässe, hartes Schlagwerk: Die „Orthopädischen Strümpfe“ fetzen los, wie eine frühe Beatband, die Musikanten posieren lustvoll als wilde Rockstars. „We love Rock ‘n Roll“, die harten Klänge Joan Jetts von 1982, übersetzt Guildo singend mit rauer Stimme: „Ich find’ Schla-ger toll!“

„Griechischer Wein“, „Mendocino“ und weitere betagte deutsche Oldies werden ebenso laut und ruppig dargeboten, obwohl der Sänger doch versprach, er wolle seine Besucher in ein sanftes Land entführen, in dem Milch und Honig flössen und mit ihnen ins „Traumboot der Liebe“ steigen. Aber eigentlich entpuppt sich der Mann, trotz Blödelsprüche in der Moderation und unsäglicher Verkleidung, die er nach und nach ablegt, als ziemlich cooler Rocker. Seine eigensinnigen Coverversionen deutscher Schlager sind keine Persiflagen, wie sie in den 1990er-Jahren Mode waren.

Mit dem teilweise bunt verkleideten Publikum ist „der Meister“, wie ihn die Veranstalter ankündigten, schnell im intensiven Kontakt; er hat es fest im Griff. Der Sänger springt in die Menge, spricht einzelne direkt an: „Du da, mit dem Bart, dich wollen wir hüpfen sehen!“ Enthusiastisch tun die meisten, was sich der singende Turnlehrer von ihnen wünscht, auf der Stelle hüpfen, die Arme schwenken oder in den Himmel recken. Die deutschen Schlagertexte singen alle sowieso lauthals und klatschend mit.

Erstaunlicherweise sind viele Besucher noch nicht so alt, um ständig orthopädische Strümpfe tragen zu müssen. Die Party vereint junge und ältere Fans, die jeden Unsinn mitmachen und ausgelassen über alle Späße lachen. Gute einhundert Minuten lang bietet die Combo harte Beatmusik dar – aber Guildo hat ein sensibles Gespür, wann mal etwas anderes kommen muss. Zu den Rockrhythmen klimpert er auch mal mit Kuhglocken die Melodie von Marianne Rosenbergs, „Er gehört zu mir“, oder entpuppt sich an kleinen Trommeln als unbändiger Percussionist. Weiterlesen