„Geschnitten. Gefaltet. Geformt – Papier!“ Ausstellung in der Kunststation Kleinsassen

In der aktuellen Ausstellung machen 18 renommierte Kunstschaffende die Bedeutung von Papier in der zeitgenössischen Kunst erfahrbar. Ausdrücklich geht es nicht um Papier als Bildträger oder um die Verbindung mit anderen Stoffen wie Holz oder Glas. Den Rundgang beginnt man im Entree zur Halle 1, denn hier wird rasch die Spannweite sichtbar, was künstlerisch mit und aus dem Material gestaltet werden kann: 

Entspannt begrüßen einen zwei Buddhas, die aus zusammen gepressten Katalogen herausgearbeitet wurden, es sind bildhauerische Objekte aus recyceltem Papier.

Eine lilafarbene Porträtskulptur aus geknuddeltem Japanpapier stellt die Künstlerin „Marina Abramowić“ dar. Die moderne Variante eines Scherenschnitts ist der „Wald 2“, mit mehreren Silhouetten übereinander in einem verglasten Kastenrahmen. Lediglich aus nur einem Aquarellkarton wurde der halbreliefartige „Treppenstreifen“ geknickt und gefaltet.


Hinter dem Eingangsbereich hängen zarte Zeichnungen mit Nadelstichen auf Papier oder weiße, aus Baumwolle oder Leinen geschöpfte Blätter mit winzigen bewussten Fehlern. Die Arbeiten sind derartig subtil, dass zunächst kaum erkennbar ist, was sie bedeuten. Doch dann folgen riesige Werke aus farbigem Papier auf andersfarbigem Papier, in Originalgröße von erkennbaren Dingen, ein „Porsche“ oder die „Gelbe Tonne“. Die realistischen – man darf sagen – Installationen, kontrastieren mit den konstruktiven Gebilden an der gegenüberliegenden Wand. Es sind Spiele mit den Möglichkeiten des Materials, sie symbolisieren nichts. Sie beinhalten allerdings „kubistisch“ anmutende, geometrische Formen der Alltagsgegenstände von gegenüber, wie die Reifen des Autos.


Im Nebenraum sind etliche dreidimensionale Fantasiewesen „Ohne Titel“ aus geschöpftem Papier, Farbpigmenten und Beize arrangiert. Auch diese fantastischen, zum Träumen anregende Figuren werden konfrontiert mit extrem strengen, offensichtlich mathematisch berechneten Schnittzeichnungen. 

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Kuckucksuhren auf der 60. Biennale?

Während der letzten documenta beschäftigten wochenlang die antisemitischen Vorfälle die Medien, immer neue Vorwürfe und Schandtaten wurden bekannt. Auf der 60. Biennale in Venedig geht es, nach dem anfänglichen Theater um die Teilnahme jüdischer oder israelischer Kunstschaffender, ausschließlich wieder um die Kunst. 

Wir erinnern uns, die Biennale ist seit langer Zeit zweigeteilt: Einerseits kuratiert eine, vom italienischen Staat berufene Person, die zentrale Ausstellung in den Giardini und im Arsenale. Andererseits gehören feste Pavillons in den Giardini diversen Ländern, die nationale Kunstschaffende berufen, außerdem sind temporär viele Nationen in den Arsenalen und sogar mitten in der Stadt untergebracht.

Ursprünglich gab es zwischen dem Thema der zentralen Ausstellung und den Länderschauen zeitgenössischer Kunst, keinen Zusammenhang. Aber in dem Maß, wie sich die Moderne Kunst globalisierte, haben auch die staatlichen Präsentationen in Venedig an Bedeutung verloren. In den letzten Jahren entstanden manchmal zufällige Zusammenhänge, in diesem Jahr wurde jedoch das Thema „Fremde überall“ von etlichen Länderschauen bewusst aufgegriffen und interpretiert. Hommage an die frühen Gastarbeiter im deutschen Pavillon, ein Indigener gestaltet den US-Pavillon oder die Polen luden ukrainische Flüchtlinge ein. Jedoch unumstritten ist die Organisation der zentralen Ausstellung durch Adriano Pedroso keineswegs. Der brasilianische Kurator (Foto links) hat fast ausschließlich „Fremde“ für die 60. Biennale ausgesucht, die als queere, indigene oder geflüchtete Menschen ihre Kunstwerke zeigen dürfen. Das ist keineswegs neu, denn auch seine Vorgängerin Cecilia Alemani und andere gruben bei den vorausgegangenen Biennalen vergessene Kunstschaffende aus oder stellten unbekannte Außenseiter vor.

Das aktuelle Sonderheft ART zur venezianischen Biennale sieht jedoch das Problem, der weitestgehend identitären Ausrichtung: „Es gibt viele Werke im Zentralpavillon und im Arsenale, die dort nicht wegen ihrer Qualität hängen, sondern wegen der Zugehörigkeit ihrer Urheber zu einer Minderheit.“ Die ART räumt zwar ein, „Homosexualität hat sich als wichtiges Thema der Moderne herauskristallisiert, weil das Abweichen vom Durchschnitt eine andere Sichtweise auf die Welt birgt.“ Aber niemand käme auf die Idee Francis Bacon, Rosa Bonheur, Andy Warhol und viele, viele andere Etablierte auszustellen, allein weil sie bisexuell, schwul oder lesbisch waren.

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Mit einem Tiger schlafen

Auf einem Gemälde von Maria Lassnig (1919 – 2014) scheint ein Tiger die kurzhaarige Frau, die große Ähnlichkeit mit der Malerin besitzt, zu beglücken oder zu vergewaltigen. Dieses Bild gab dem Film, der soeben in die Kinos kam, seinen Titel: „Mit einem Tiger schlafen“. Viele Leute kennen dieses Bild, aber selten die Künstlerin, die es gemalt hat.

Klaglos nimmt die junge österreichische Malerin Maria Lassnig es hin, dass ein von ihr ausgestelltes Bild, ein nackter Mann mit einem roten Penis, vom Bürgermeister ihrer kleinen Heimatstadt mit einem Tuch zugedeckt wird: „Der Dreck ist eine Schande“, bellt er. Ein jüngerer Mann als sie, fast noch ein Junge, reist das Tuch fort und schnauzt, das sei doch das einzig gute Bild in dieser Ausstellung. 

Er ist der jungenhafte Arnulf Rainer, mit dem die Künstlerin in den nächsten Jahren zusammenleben wird und heftig konkurriert: „Immer geht es nur um Rainer“, beschwert sie sich nach einer Parisreise, in der die beiden Galerien besuchten und ihre Arbeiten zeigten.

Später weiß sie genau, was sie braucht und was sie will: „So geht das nicht“, schreit sie in einer Galerie, „das hängt hier alles viel zu tief, meine Bilder sind doch keine Bodenfeger.“

Die Mutter kritisiert Maria, die von ihr gemalten Nachbarn sähen so seltsam aus. „Du musst heiraten“, keift sie, doch Maria widerspricht: „Ich heirate nur einen, der meine Bilder versteht. „Da kannst Du aber lange warten“, kontert die Mutter. 

So wild aneinandergereiht wie diese Beispielszenen, ist der Film geschnitten, springt mit Vor- und Rückblenden durch verschiedene Zeiten, wechselt kühn die Orte, mal im einsamen Waldatelier in den Bergen, mal in Brooklyn. Ihre Begegnungen mit vielen wichtigen Zeitgenossen und Künstlergruppen, von Paul Celan, Andre Breton bis Caroline Schneemann und der Gruppe „Women/Artists/Filmmakers“ fehlen allerdings im Film.

Birgit Minichmayr, die großartige Schauspielerin, zeigt uns Maria Lassnig in jedem Alter: Als junges Mädchen, als bekannte Malerin, selber als zickige Mutter: „Die Sammler stehlen meine Bilder, das sind doch meine Kinder, die sollen nicht ins Waisenhaus“. Und sie gibt auch die alte Frau, die kaum noch malen kann. 

Vor allem jedoch bringt sie uns nahe, wie Lassnig arbeitete. Ihre Bilder kann man als figurativen Expressionismus beschreiben. Oft lag sie auf ihren Papierbögen, räkelte und wand sich, fühlte in sich hinein: wo und wie berühre ich den Boden? Und malte dann ihre Gestalten und Figuren mit empfundenen Bewegungen als „Körpergefühls-Figurationen“.

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„Teaches of Peaches“

Eine Dokumentarcollage über die Punk-Performerin kommt jetzt ins Kino

Der rote Teppich auf der Berlinale im Februar dieses Jahres. Grimmig blickend öffnet Peaches ihren langen Ledermantel vor der internationalen Presse. Darunter ist sie fast nackt, auf ihrem winzigen Slip steht „FCK AFD“. Also fickt die AfD. Die 57-jährige Kanadierin, die seit 20 Jahren in Berlin lebt, ist immer für derbe provozierende Herausforderungen zu haben. Gleich wird sie ihren Film „Teaches Of Peaches“ vorstellen, der hier bei den Filmfestspielen uraufgeführt wird.

Dieser Streifen ist eine Dokumentarcollage, der ihre Entwicklung von einer YMCA-Kindergärtnerin, die mit den Kids lustige Musik machte, bis zu ihrer krassen Konzerttournee im Jahr 2022 nacherzählt. Die Bilder springen zwischen alten Zeiten, ihren diversen Banderfahrungen, dem Durchbruch in Berlin und den Vorbereitungen für die aktuelle Tournee. Wollte sie damals noch mit einem winzigen Köfferchen auf Tour gehen, „mehr nicht“, hat sie jetzt eine Helferin, die ihre zahllosen Koffer mit Verkleidungen, Instrumenten, Sexspielzeugen und anderen Bühnenrequisiten vollpackt.

Wir erleben, wie der Coiffeur für sie und die anderen Musikerinnen abenteuerliche Frisuren kreiert. Bei den musikalischen Proben sind wir dabei. „Du musst gar nichts tun“, klärt sie ihre neue Gitarristin auf. „Geh nur über die Bühne, zeig‘ ihnen deinen Arsch. Sie sollen merken, du musst nicht mal spielen, sooo gut bist du…“ Halbnackt, grell bemalt und nur im Schlüpfer tritt sie dann selbst, die älter gewordene Punk-Performerin, vor ihr Publikum. „Seid ihr okay, motherfuckers? Dann lasst uns zusammenkommen“, brüllt sie in den Saal. 

Die Gitarren kreischen, Peaches singt „Fuck the Pain away!“ und bedient ihr altmodisches Keyboard. Die ad-hof-Band zelebriert diesen und andere alte Songs. Aber nicht aus Nostalgie, sondern um herauszufinden, ob sie immer noch aktuell sind und die Leute sich anstiften lassen, ihr Leben zu ändern. Denn Ihre Botschaft ist weiterhin mit wilder, harter, verrückter Musik und der skurrilen, sexuell aufgeladenen Bühnenschau: Frei sein, keine Kompromisse eingehen, mach was du willst und sei du selbst! Bereits in einem VIVA-Interview verkündete sie um 2000 herum: „Wir wollen Sex und wir wollen darüber reden. WIR! Nicht weil die Männer es hören wollen!“ Peaches ist alt und etwas runder geworden, sie ist kein Zuckermädchen mehr, turnt aber mutig und lustvoll – weiterhin – halbnackt auf der Bühne herum.

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„glue light blue“ 

Eine eindringliche Gastchoreografie des Israelis Nadav Zechner mit dem Hessischen Staatsballett

Tanzfrühling in Hessen. In Darmstadt ist nicht nur der Himmel hellblau, sondern auch der Tanz. Die offene Bühne hat einen blau-glänzenden Boden, auf ihr zappeln bereits 35 geometrisch angeordnete Steinbrocken an Drahtseilen, als das Publikum den Saal betritt. An den Bühnenwänden hängen hellblau und rostbraun eigefärbte Platten. 

Dann wird es dunkel. Dampf steigt auf. Tiefes Grummeln ertönt, die ganze erste Tanzphase lang. Eine sehr künstlich wirkende, blau gekleidete Figur mit rostbraunem Ornat taucht aus einer Luke auf, tanzt am Bühnenrad zunächst nur mit den Augen, dann mit zitternden eigenartigen Bewegungen. Weitere, ebenso bekleidete Tänzerinnen und Tänzer, erscheinen nach und nach aus dem Nebel, bewegen sich akkurat und gradlinig zwischen den Steinen.

Irgendwann hört das Gegrummel auf, das Ensemble streift die Ornate ab, alle werden zu kommunikationsfreudigen hellblauen Wesen mit rostbraunen Beinen. Ihre Bewegungen verflüssigen sich, sie entfliehen der Strenge, blubbern gelegentlich wie Kleinkinder. Paare begegnen sich, mal agieren sie zusammen in exotischen, mal in alltäglichen Pas de deux. Zuweilen frieren sie an den Wänden ein, verschmelzen dann gleichsam mit dem Hintergrund. Ihre Annäherungen verändern sich unaufhörlich. Blitzschnell. Eben noch freundlich. Dann skurril. Abweisend. Fröhlich. Kurz beginnen immer neue Erzählungen, brechen wieder und wieder ab oder verändern sich.

Zu rhythmisch-arabischer Musik finden sich zwei Gruppierungen, die Brocken werden in die Höhe gezogen, wirken wie Lampen. Darunter beginnen wilde fröhliche Tänze – und die Steine tanzen mit. Sie gehen rauf und runter, hängen bedrohlich über der liegenden Compagnie. Doch heiter befreien sich die Tanzenden. Die Brocken verschwinden in der Höhe. Etliche Figuren hopsen munter in die Luke am Ende der Bühne.

Zwei Frauen winden sich am Boden, küssen sich in die Vertikale, verknoten sich zu einem hocherotischen Pas de deux, lösen sich irgendwann voneinander. Wassergeplätscher ertönt, erst finden sich weitere Paare, dann die ganze achtzehnköpfige Compagnie in immer neuen Bewegungsbildern zusammen.

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„Farbe trifft Holz“ 


Drei unterschiedliche Kunstschaffende in der aktuellen Ausstellung des Kunstvereins Fulda

Zu Beginn des Rundgangs trifft man auf die „Vier Jahreszeiten“ der Holzbildhauerin Ines Britz. Mit ihrer Installation konfrontiert sie den Besucher direkt mit dem Ausstellungsthema „Farbe trifft Holz“: In drehbare Scheite hat sie, wie bei Holzschnitten, Gesichter eingekerbt und mit Acryl übergewalzt. So entstanden vier Porträts, die für die unterschiedlichen Jahreszeiten stehen. 

Drumherum an den Wänden hängen riesige, farbkräftige Acrylbilder von Jan Döhrer, die man sogleich als Landschaften interpretieren möchte. Doch warum sind sie an den Rändern so ausgefranst oder verwischt? Sind das reale Destruktionen der Gemälde durch Witterung und Verfall oder sind es künstlerische Gestaltungen? Verweisen die Werke auf den Klimawandel oder haben die Übermalungen eine rein ästhetische Funktion? Die irritierenden Gemälde sind keine Ratespiele, vielmehr spielen mit den Wahrnehmungen und Fantasien des Betrachters. 

Andere Bilder des Künstlers sind zentimeterdick mit kräftigen Farben gespachtelt. Diese Farben greifen in den Raum, grapschen nach dem Besucher. Und natürlich kann man auf den Objekten wieder Landschaften sehen: die Natur, die sich ihre Welt zurückholt, mit loderndem Feuer, verbrennender Sonne oder geilem Grün.

Beim Weitergehen sind andere überraschende Arbeiten von Iris Britz zu sehen: In einer Holz- und Eiseninstallation scheinen sich zwei weiß übermalte Figuren zu trennen. Eine Frau schaut einem Mann nach, der gramgebeugt durch eine Tür getreten ist. Man will in die Figuren hineinspüren, ihre Haltungen nachahmen, ihre Erzählung verstehen. Rein formal setzen sich die strengen Linien der Eisenkonstruktion dahinter in den Fenstern und Heizkörpern fort. Ein hervorragender Ort – eigentlich ein Nicht-Ort – in dem „Hin und weg“ (Titel) passiert. 

Die Werke in den hinteren zwei Räumen sind dem 2020 gestorbenen Künstler Ronald Johnson aus Franken gewidmet. Im ersten hängen wilde, scheinbar abstrahierte Kompositionen mit kräftigen Farben, in denen man jedoch (nicht nur als Mann) weibliche Figuren oder Formen erkennen kann. Auch sie sind oft lediglich nummeriert, ohne wegweisende Titel. 

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Biennale-Tagebuch (1)

Die 60. Biennale in Venedig ist eröffnet. Vor dem, gar nicht erst eröffneten israelischen Pavillon, randalierten und grölten hasserfüllte Hamas-Anhänger.  Ansonsten hält sich der organisierte Antisemitismus in Grenzen, denn die Boykottbewegung (BDS) gegen Israel und jüdische Kunstschaffende, konnte sich in Venedig nicht durchsetzen. Im Gegensatz zur letzten documenta ist es nach einer Woche recht friedlich.

Das große Ausstellungsgebäude in den Giardini ist bunt und wild von einer indigenen Gruppe bemalt worden, die kein Geheimnis daraus macht, dass alle bei der Gestaltung ziemlich bekifft waren. Ansonsten rappelt, kracht und bimmelt es überall, die Atmosphäre ist laut und schrill. Es wird viel getanzt oder Theater gespielt, die Grenzen zwischen Performance und Leben verschwimmen. Getrommel und Gerüche betören die Sinne… Trotz der finsteren Zeiten in denen wir derzeit leben, ist die aktuelle Biennale ein buntes, vielfältiges und fröhliches Kaleidoskop.

Wie immer in den letzten Jahren, wollten wir zur Vorabschau für Journalisten und VIPs und danach zur Eröffnung der Biennale anreisen, aber aufgrund eines Unfalls mussten wir unsere Reise verschieben. Auch wenn wir – zunächst – nicht selber in die Giardini und in das Arsenale kommen konnten, kommentieren wir die Eröffnung und formulieren erste Eindrücke aufgrund der Berichterstattung in den deutschen Medien.

Seit vielen Jahren ist die Kunst-Biennale zweigeteilt:

In eigenen Pavillons im Giardini stellen etliche Länder ihre Kunstschaffenden vor. Im Arsenale, der gigantischen alten Schiffswerft, sind einige Länder temporär vertreten. Hier wurde in der Vergangenheit großartige zeitgenössische Kunst – oft beliebig – präsentiert, die Kuratoren wählten, wenn überhaupt, die Themen ihrer Projekte selber.

Im großen Palast in den Giardini und in vielen, vielen Hallen der Arsenale werden seit jeher Kunstwerke präsentiert, die vom jeweiligen Kurator zum – von ihm gewählten Thema der Biennale – ausgewählt wurden.

Auf dem letzten Kunstfestival vor zwei Jahren hieß es „The milk of Dreams“ der Kuratorin Cecilia Alemani. In diesem Jahr postulierte der brasilianische Ausstellungsmacher Adriano Pedrosa „Fremde überall“. Er lud 332 Ausstellende ein, die im Westen weitgehend unbekannt sind und meist noch nie auf der venezianischen Biennale vertreten waren.

Mit seinen ausgesuchten Werken von Fremden, Queeren, Indigenen und Außenseitern setzt Pedrosa die Konzeption der letzten Biennale fort. Damals hatte Alemani viele vergessene oder nicht beachtete Künstlerinnen ausgegraben und vorgestellt.

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In Vielfalt vereint – Studioausstellung EuropArt 

KLEINSASSEN von Hanswerner Kruse 

Anlässlich der nahenden Europawahl zeigt das Vonderau Museum die Fotoschau „Europa, Fulda und Ich“. Die Kunststation beteiligt sich am Thema mit ihrer Studioausstellung EuropArt.

Eine Mutter und ihr Kind schweben zwischen Traum und Wirklichkeit. Surreale Gestalten schaffen eine eigenartige Landschaft. Der Mann malt sich die Welt zurecht. Farbenfrohe abstrakte Kompositionen regen die Fantasien an. Sehr unterschiedliche Bilder in verschiedenen Stilen und mit diversen künstlerischen Mitteln hergestellt, sind derzeit im Studio der Kunststation zu sehen. 

Doch man erlebt hier kein beliebiges Sammelsurium vieler Kunstschaffender, sondern die Gemälde, Collagen und Zeichnungen sind von Kuratorin Elisabeth Heil so ausgewählt, dass sie harmonieren oder Kontraste bilden. Das sich einstellende Gefühl ist tatsächlich: „In Vielfalt vereint!“ Genau das will die Schau hervorrufen, denn jedes Objekt steht symbolisch für ein anderes europäisches Land. Fast alle EU-Staaten und einige Beitrittskandidaten sind dadurch hier vertreten.

Die große Überraschung: Alle Arbeiten sind aus der Artothek des Hauses, sie sind von europäischen Kunstschaffenden gestaltet und hier in den letzten Jahrzehnten ausgestellt worden. Die Station hat diese Objekte angekauft, sie können ausgeliehen oder erworben werden. Es sind nicht nur Einzelausstellungen, auf welche die Werke verweisen, sondern einige sind auch vor Ort in Austauschprogrammen entstanden. Etwa das verrätselte Bild der Finnin Milia Änäkkälä, in dem tatsächlich der Kleinsassener Kirchturm zu erkennen ist (Foto oben). 

Zur Schau „Zehn aus Wien“ reisten österreichische Kunst-Professoren und Meisterschüler an. Der Überblick europäischer Sinti-und Romakünstler ging anschließend um die Welt. Regelmäßig sind Stipendiaten der Via Regia hier zu Gast, das also per se ein europäisches Projekt ist. Denn die Via Regia verband schon sehr früh kulturell diverse Länder unseres Kontinents.

„Durch die ästhetische Vielfalt dieser Ausstellung, wird auch das europäische Profil der Kunststation deutlich“, freut sich Leiterin Monika Ebertowski im Gespräch.

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Detlev Heinichen und die Bandbreite des modernen postdramatischen Theaters

Hommage für Detlef Heinichen
Seit sieben Jahren prägt der charismatische Kulturpreisträger, Macher des Theatriums und Bühnenkünstler Detlef Heinichen das kulturelle Leben weit über den Bergwinkel hinaus. Heute – am 12. April – begeht er den 70. Geburtstag, alleine auf dem Pilgerweg zwischen Porto (Portugal) und Santiago de Compostela (Spanien). 

„Dieser ‚Camino de Portugues‘ muss was Magisches haben“, sagt er, aber ihn leiten keine religiösen Gefühle, er nutzt die Wanderung zum Nachdenken. Heinichen ist kein Kauz, auch wenn er viele Solostücke mit seinem Figurentheater entwickelte. Er arbeitet gerne mit anderen Akteuren, das haben seine Werke über „Jonny Cash“ oder „Manche mögen‘s heiß“ offenbart. 

Seit er in der zweiten Klasse gekleisterte Papierfiguren zum Leben erweckte, fasziniert ihn das Puppenspiel. In seinem ersten Kinderstück staunte er, wie – unerwartet von ihm – die Kleinen reagierten. Seitdem entwickelte er Figurentheater als Hobby, doch in der Pubertät wurde es brenzlig, als er seine Werke im Hinterhof in Magdeburg aufführte. „Spätestens dann verabschiedet man sich ja von Puppen“, erinnert er sich, „aber für mich waren sie keine Kuschelpuppen, sondern Darsteller!“ Er hatte sogar einen „Bodyguard, zwei Jahre älter, zwei Köpfe größer als ich, der mein Spiel mochte und mich vor den Gleichaltrigen schützte.“

Mutig und naiv bewarb er sich mit 17 Jahren an der Schauspielschule, aber man empfahl ihm „noch zu reifen.“ Überraschend ermöglichte ihm der Chef der Zwickauer Puppenbühne eine theaterpraktische Ausbildung. Nach der Militärzeit studierte er ab 1975 an der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin. Hier reifte er in dreieinhalb Jahren vom Puppenspieler zum umfassend ausgebildeten Schauspieler und kehrte nach Zwickau zurück: „Die gewährt mir eine Chance, ich wollte ihnen was zurückgeben.“

Doch dort wurde es dramatisch, denn 1980 wollte die Stasi – wohl angesichts der revolutionären Ereignisse in Polen – ein Exempel statuieren: Wegen „staatsfeindlicher Äußerungen und Verunglimpfung staatlicher Organe“ auf der Bühne, musste er ein Jahr „in die Produktion“ – in eine Brauerei und ein Ausbesserungswerk: „Das fand ich gar nicht so schlecht.“ Dann kam er nach Dresden, war hier kurz in Stasi-Haft und sah in der DDR keine Chance mehr für sich. 1986 stellte er den schnell bewilligten Ausreiseantrag.

In Bremen übernahm er ein antiquiertes Puppentheater und erneuerte es zu einem zeitgemäßen, gut besuchten Theatrium mit eigenem Festival. Heinichen war gut vernetzt in der avantgardistischen Szene der Stadt, von Peter Zadek bis Johan Kresnik.

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„Ein Glücksfall“ – der neue Film von Woody Allen

„Ich war ganz verrückt nach Dir“, bekennt der Schriftsteller Alain (Niels Schneider), als er überraschend seine New-Yorker-Jugendliebe Fanny (Lou de Laàge) mitten in Paris wiedertrifft, die in einem Auktionshaus arbeitet. „Mein Leben wäre anders verlaufen, hättest Du mir das damals gesagt“, seufzt Fanny. 

Denn nun ist sie der kostbare Besitz des reichen, eifersüchtigen, besitzergreifenden Geschäftsmanns Jean (Melvill Poupaud), der sie wie ein wertvolles, aber ihm gehörendes Schmuckstück behandelt. „Ich fühle mich wie eine Trophäe“, sagt sie, als sie mal wieder einen sündhaft teuren Ring bekommt und ihn nicht sogleich tragen will.

Mehr oder weniger zufällig begegnen sich Alain und Fanny nun öfter, essen zusammen Baguettes im Park, dann selbst gekochte Spaghetti Bolognese in Alains Bude und landen schließlich im französischen Bett. Fanny fühlt sich „schrecklich, weil ich ihn anlüge“, doch der Ehemann hat längst gemerkt, dass ihm seine Frau den Gehorsam verweigert und eigene Wege geht. Ganz cool beauftragt er einen Privatdetektiv mit ihrer Überwachung und ist auch bereit, für ihn unangenehme Recherchen zu ertragen: „Wollen sie es denn wirklich wissen?“, fragt ihn der Kundschafter.

Mehr wird hier nicht verraten, denn überraschend nimmt die Amour Fou an Fahrt auf. Fannys Mutter findet heraus, dass ihr geliebter Schwiegersohn bereits des Mordes an einem Teilhaber verdächtigt wurde. Wie Woody Allens Film „Match Point“ entwickelt sich auch „Ein Glücksfall“ völlig anders als erwartet und findet ein geniales Ende. 

Der spannende Film „Ein Glücksfall“ ist in vielerlei Hinsicht ein Glücksfall: 

Regisseur Allen hat ihn völlig auf Französisch mit französischen Darstellerinnen und Darstellern gedreht (aber nicht zum ersten Mal in Paris, wir erinnern uns gerne an seine romantische Erzählung „Midnight in Paris“) und es ist eine richtig schöne Liebesgeschichte mit bösen Einsprengseln geworden. Der Film ist auch ein Glücksfall für die Hauptdarstellerin Lou de Laàge, die keine Probleme hatte mit Allen zu arbeiten. Sie gestand sinngemäß: „Für mich war es ein Glücksfall, dass er mit mir in Paris gedreht hat, sonst hätte ich ihn nie kennengelernt.“

Woody Allen mit seinen beiden französischen Hauptdarstellern
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