Während der letzten documenta beschäftigten wochenlang die antisemitischen Vorfälle die Medien, immer neue Vorwürfe und Schandtaten wurden bekannt. Auf der 60. Biennale in Venedig geht es, nach dem anfänglichen Theater um die Teilnahme jüdischer oder israelischer Kunstschaffender, ausschließlich wieder um die Kunst.
Wir erinnern uns, die Biennale ist seit langer Zeit zweigeteilt: Einerseits kuratiert eine, vom italienischen Staat berufene Person, die zentrale Ausstellung in den Giardini und im Arsenale. Andererseits gehören feste Pavillons in den Giardini diversen Ländern, die nationale Kunstschaffende berufen, außerdem sind temporär viele Nationen in den Arsenalen und sogar mitten in der Stadt untergebracht.
Ursprünglich gab es zwischen dem Thema der zentralen Ausstellung und den Länderschauen zeitgenössischer Kunst, keinen Zusammenhang. Aber in dem Maß, wie sich die Moderne Kunst globalisierte, haben auch die staatlichen Präsentationen in Venedig an Bedeutung verloren. In den letzten Jahren entstanden manchmal zufällige Zusammenhänge, in diesem Jahr wurde jedoch das Thema „Fremde überall“ von etlichen Länderschauen bewusst aufgegriffen und interpretiert. Hommage an die frühen Gastarbeiter im deutschen Pavillon, ein Indigener gestaltet den US-Pavillon oder die Polen luden ukrainische Flüchtlinge ein. Jedoch unumstritten ist die Organisation der zentralen Ausstellung durch Adriano Pedroso keineswegs. Der brasilianische Kurator (Foto links) hat fast ausschließlich „Fremde“ für die 60. Biennale ausgesucht, die als queere, indigene oder geflüchtete Menschen ihre Kunstwerke zeigen dürfen. Das ist keineswegs neu, denn auch seine Vorgängerin Cecilia Alemani und andere gruben bei den vorausgegangenen Biennalen vergessene Kunstschaffende aus oder stellten unbekannte Außenseiter vor.


Das aktuelle Sonderheft ART zur venezianischen Biennale sieht jedoch das Problem, der weitestgehend identitären Ausrichtung: „Es gibt viele Werke im Zentralpavillon und im Arsenale, die dort nicht wegen ihrer Qualität hängen, sondern wegen der Zugehörigkeit ihrer Urheber zu einer Minderheit.“ Die ART räumt zwar ein, „Homosexualität hat sich als wichtiges Thema der Moderne herauskristallisiert, weil das Abweichen vom Durchschnitt eine andere Sichtweise auf die Welt birgt.“ Aber niemand käme auf die Idee Francis Bacon, Rosa Bonheur, Andy Warhol und viele, viele andere Etablierte auszustellen, allein weil sie bisexuell, schwul oder lesbisch waren.
Weiterlesen






